
Dark Horse
Im Jahr 1954 erschien ein Buch, das die Comicbranche in den USA erschütterte. In Seduction of the Innocent unterstellte der Psychiater Fredric Wertham, dass Bruce Wayne und Dick Grayson wie in einem homosexuellen Wunschtraum lebten: einer reinen Männer-WG mit Butler und Blumen. Positive Frauenfiguren kämen kaum vor. Ungünstigerweise zeigte im selben Jahr ein Panel, dass Vormund und Mündel in einem Bett schlafen – oder zumindest in zwei sehr nah beieinander stehenden Betten in einem Schlafzimmer (Batman #84).

Auch wenn Bruce Wayne und Dick Grayson in zwei Betten schlafen, liegen sie doch dicht beieinander … (DC Comics)
Auch wenn das Panel durchaus ein Geschmäckle hat, aus der Beziehung zwischen Batman und Robin Homosexualität ableiten zu wollen, war schon damals weit hergeholt. Doch Werthams Analyse ging so weit, zu behaupten, dass Comics generell einen schlechten Einfluss auf Kinder und Jugendliche haben. Er machte sie verantwortlich für alles von Vandalismus über Drogenkonsum bis hin zu Prostitution von Kindern. Den eigentlichen Anlass dazu gaben drastische Horror- und Crime-Comics dieser Zeit. Doch Mitte der 50er führte das zu einem regelrechten Feldzug gegen fast alle Comics, auch gegen vergleichsweise harmlose Superhelden. Verleger, Autoren und Zeichner fielen einer Hexenjagd zum Opfer. Ein ganzes Medium war verpönt und Hefte wurden sogar öffentlich verbrannt.
Als Reaktion darauf wurde 1954 der Comics Code eingeführt, eine von den Verlagen auferlegte Selbstzensur, die die Comics kindgerecht und eintöniger machte, dabei ein erwachsenes Publikum ausschloss. Was nicht den Regeln entsprach, durfte nicht mehr erscheinen (bzw. wurde nicht mehr vertrieben). So wurden zahllose Titel vom Markt verdrängt und das Siegel verhinderte lange, dass sich die Charaktere und Geschichten mit ihren Lesern weiterentwickeln konnten. Fredric Wertham wurde dadurch zur Persona non grata der Comicfans und ist es bis heute.
Empathischer Psychiater
Harold Schechter und Eric Powell haben dem Psychiater (1895-1981) nun eine Comic-Biografie gewidmet und zeichnen ein differenziertes Bild einer interessanten Persönlichkeit. Wertham, der ursprünglich Friedrich Ignatz Wertheimer hieß und aus Nürnberg stammte, war bis dahin ein angesehener Psychiater gewesen. Er tat sich zwar schwer mit anderen Kollegen und war nicht gerade beliebt, dafür aber machte er sich verdient in der Arbeit mit Patienten. Er untersuchte Serienmörder, die die schlimmsten Gräueltaten – auch an Kindern – begangen hatten, und behandelte sie zutiefst empathisch als Menschen und nicht als Monster.
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