Detective Comics

Feindliche Übernahme

Detective Comics: Emperor Penguin

Titel: Emperor Penguin (Detective Comics Vol. 3 (The New 52)), (dt. Der Herrscher von Gotham)

Autor/Zeichner: John Layman/Jason Fabok (u.a.)

Erschienen: 2012-2013 (Detective Comics #13-18), Hardcover 2013; dt. Panini 2014 (Paperback, enthält Detective Comics #13-17)


Seit dem Reboot bei DC hat es einige Personalwechsel gegeben: Nach dem ersten Detective Comics Annual hat Autor und Zeichner Tony Daniel die Serie verlassen, um bei Action Comics auszuhelfen. Ab Ausgabe 13 hat John Layman die Autorschaft übernommen, Jason Fabok die Zeichnungen. Um einen Führungswechsel geht es auch in der ersten Storyline des neuen Teams: Der Pinguin wird von einem seiner Handlanger ausgebootet. Nun nennt sich irgendein dahergelaufener B-Gauner „Emperor Penguin“, obwohl er überhaupt nichts von einem flugunfähigen Wasservogel hat.

Aber eins nach dem anderen: Gleich zu Beginn beweist Layman Humor, indem er Batman darüber sinnieren lässt, dass er sich nicht schlecht fühlen müsse, wenn er nachts Menschen die Zähne ausschlage und die Beine breche. Immerhin hat er als Bruce Wayne beachtliche Summen für Chirurgen gespendet. Leider macht die Story den schönen Einstand mit fehlender Logik zunichte. Der Pinguin gibt einen Mord an Bruce Wayne in Auftrag, weil er die Kinderabteilung eines Krankenhauses nach seiner eigenen Mutter statt nach Martha Wayne benennen möchte. Das ist doch arg übertrieben angesichts eines Problems, das der Pinguin mit einem Koffer voll Geld löst. Dieser Gedanke kommt ihm dann auch, nur ist es dann für einen Rückruf zu spät und Bruce Wayne muss selbst gegen die Attentäter kämpfen. Einem klugen Kopf wie dem Pinguin wäre so ein Humbug sonst nicht zuzutrauen.

Im weiteren Verlauf sehen wir Poison Ivy, die Ökoterrorismus gegen den Pinguin betreibt und nebenbei Clayface das Herz bricht. Dann wird die Story unterbrochen von einem Einschub im Rahmen von Death of the Family. Dabei wird deutlich, dass der Joker viele Nachahmer hat, die in verschiedenen Banden durch die Stadt ziehen und in seinem Namen Verbrechen begehen. Der Abschluss des ersten Bandes kommt abrupt: Der Handlanger Ogilvy, der den roten Faden dieser Geschichte bildet, übernimmt plötzlich die Herrschaft, sperrt seinen Arbeitgeber aus und sorgt durch eine Intrige dafür, dass er festgenommen wird. Auch wenn man diesen neuen Kerl ständig gegen den Pinguin intrigieren sieht, scheint die Machtübernahme zu einfach zu gehen.

Zu loben ist Jason Faboks realistischer, klarer Zeichenstil, der seinen Figuren sehr lebendig erscheinen lässt. Bereits bei Mr. Freeze’s Entstehungsgeschichte im Batman Annual #1 ist Fabok positiv aufgefallen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, Tony Daniel, könnte man seine Striche auch als etwas zu brav tadeln.

>> Batman 2011-2019

Das Gesicht als Maske, die Maske als Gesicht

Batman: Death of the Family

DC Comics

Titel: Death of the Family (Batman Vol. 3) (dt. Der Tod der Familie)

Autor/Zeichner: Scott Snyder, James Tynion IV/Greg Capullo, Jock

Erschienen: 2012 (Batman #13-17, Detective Comics #16-17 (The New 52)), dt. Panini 2013 (Batman #15-19), Paperback 2015


„… the ugly truth of it, kiddies, is that deep down, beneath it all … Batman loves me more than he loves you.“ (Joker)

Er ist wieder da: Ein Jahr nachdem sich der Joker vom Dollmaker hat das Gesicht abschneiden lassen, kehrt der Clown zurück, um einen persönlichen Rachefeldzug gegen Batman und Co. zu führen. Die Geschichte beginnt stark: Kaum, dass Bullock seinem Chef Gordon von bösen Omen erzählt, die auf ein großes Unglück hinweisen, gibt es auf der Polizeiwache Stromausfall, der Joker bricht ein und während Gordon mit seinen Leuten buchstäblich im Dunkeln tappt, geht der Joker herum und bricht einzelnen Beamten das Genick. Kurz darauf geht das Licht an, Batman erscheint – und das Joker-Gesicht ist aus der Asservatenkammer verschwunden.

Was der Joker vorhat, ist lange Zeit nicht klar: Er reinszeniert seine ersten Aktionen wie die angekündigten Morde, übertrifft sich dabei selbst an Grausamkeit und Unberechenbarkeit, aber er entführt auch Alfred Pennyworth. Abgesehen von der üblichen Katz-und-Maus-Jagd, die der Joker mit Batman spielt, muss sich der Held die quälende Frage stellen, ob der Clown dessen wahre Identität kennt. Für den Joker ist das alles eine große Abrechnung mit seinem Rivalen, er will ihm vorführen, wie es wirklich um ihr Verhältnis steht und wer seine wahre Familie ist.

In der Wiederholungsfalle

Wieder einmal versteht es Autor Scott Snyder, seine Story packend zu erzählen. Schon allein die erste Seite ist großartig: Gotham in einer Regennacht, ein Lieferwagen am Steg vor dem Gotham River, die roten Lichter gehen an, er setzt zurück und fährt der Stadt entgegen, das Ortsschild spiegelt sich in der Windschutzscheibe, wir wissen nicht, wer drin sitzt – und doch ahnen wir es. Wie schon bei The Court/The City of Owls überraschen auch hier viele unerwartete Wendungen, die das Motiv des Jokers bis zuletzt offen halten. Das Finale ist ähnlich schaurig wie die Labyrinth-Sequenz bei The Court of Owls, nur dass hier Arkham zur Kulisse für den Wahnsinn wird. Zeichner Greg Capullo wird dieses Mal unterstützt von Jock, der mit seinen unruhigen Strichen schon verstörende Bilder für The Black Mirror geschaffen hat.

Bei aller Kreativität, die man von Autor Scott Snyder sonst kennt, steckt er hier jedoch in der Wiederholungsfalle: Die ganze Geschichte ist gespickt mit Zitaten der Batman-Tradition, von The Killing Joke über The Man Who Laughs (bzw. Batman #1 von 1940) bis hin zum titelgebenden A Death in the Family. Es gibt einen Auftritt als Red Hood im ACE-Chemiewerk, es gibt eine Szene an Gothams Wasserreservoir und es gibt auch eine Anspielung auf das Töten eines Rotkehlchens mit einem Breicheisen … Hier zeigt sich die Schizophrenie des Reboots: Einerseits will man Fans bedienen, andererseits Neueinsteiger gewinnen. Doch mit all den Anspielungen wird deutlich, dass ein Neubeginn nicht möglich ist, wenn 25 Jahre Comic-Geschichte vorausgesetzt werden. Dies ist kein Reboot, denn offenbar behalten die alten Geschichten nach wie vor ihre Gültigkeit. Andererseits frage ich mich, ob Fans nicht eher gelangweilt als erfreut darüber sein könnten, dass hier nichts Neues erzählt wird.

Der Jokers als Spieler

Immerhin gelingt es Snyder beim Finale in Arkham, ein neues Szenario zu schaffen – auch wenn er sich im Prinzip bei Grant Morrisons Arkham Asylum (1989) bedient. Hier wie da wird Batman vom Joker in das Tollhaus geführt, begegnet der Reihe nach seinen alten Gegnern und muss sich vom Joker anhören, dass sie seine eigentliche Familie sind. Und damit rührt der Erzschurke am wichtigsten Thema: Batman braucht seine Gegner mehr als seine „Familie“. Dem Leser leuchtet das ein. Und es gibt zu bedenken, ob drei Robins und ein Batgirl wirklich nötig sind …

batman_-_death_of_the_family

Death of the Family (DC Comics

Snyder schafft es bei aller Wiederholung dem Joker drei neue Aspekte abzugewinnen. Erstens spielt der Joker die Rolle des Hofnarrs, der Batman die bittere Wahrheit zuträgt. Zweitens ist er ein Spieler, der das Spiel um seiner selbst Willen treibt und dem es egal ist, wer hinter Batmans Maske steckt, weil die Maske zum Spiel gehört – ebenso wie Jokers Gesicht. (Allerdings deutet das auch schon Grant Morrison an …) Drittens – und das ist das Wichtigste – erscheinen Batman und Joker nicht wie Antipoden, sondern wie Gleichgesinnte, Seelenverwandte, also wie zwei Seiten einer Medaille. Nicht nur das Symbol des zweiköpfigen Löwenbabys zeigt das, auch Harley Quinn spricht es explizit aus, als Batman im Chemietank feststeckt: „Maybe you’ll be the next one. Like I always thought you would. Maybe you’ll come back like he used to be, back then … beautiful.“ Batman als der neue Joker? Am Ende ist es sogar die ganze Bat-Familie, der der Joker wenigstens für kurze Zeit seine Fratze aufsetzt.

Ein großes Lesevergnügen

Warum sich der Joker hat sein Gesicht abschneiden lassen, bleibt jedoch bis zum Schluss offen. Vielleicht weil so das Gesicht zur Maske wird, im Gegensatz zu Batman, dessen Maske das Gesicht ist. Vielleicht ist es aber auch trivialer: Weil er der Joker ist, weil er verrückt ist – und um der furchteinflößenden Figur noch mehr Schrecken abzugewinnen. Damit am Ende nur noch ein faulender Lappen Fleisch an seinen Kopf getackert ist, den die Fliegen umkreisen. Das ist so drastisch, dass ich mich frage, wie man das noch steigern will. Aber vielleicht muss es das auch nicht. Zu kritisieren ist allerdings, dass der Joker nicht den Mitgliedern der Familie ihre Gesichter abgeschnitten hat, sondern die Tat nur inszeniert. Das erscheint angesichts seiner sonstigen Skrupellosigkeit inkonsequent. Aber offenbar wollten die Autoren so viel Grausamkeit den Helden gegenüber ihren Lesern nicht zumuten.

Trotz aller Kritik ist Death of the Family ein großes Lesevergnügen. Nur die Einbindung von Detective Comics, wo es um die Nacheiferer des Jokers geht, hätte man sich sparen können. Besser ist es, nicht der chronologischen Ordnung zu folgen, sondern den dritten Batman-Band am Stück zu lesen. Wer alle Stücke der Story haben will, dem sei zusätzlich der Sammelband Joker: Death of the Family empfohlen.

Mehr zum Thema:


Unterstütze das Batman-Projekt

Gefällt dir dieser Beitrag? Was ist er dir wert? Lass es mich wissen und hilf mir, die Kosten für diese Seite zu decken (8 Euro im Monat, 96 Euro pro Jahr). Vielen Dank.

€1,00

Batman – Das Jahr Eins

 

Titel: Detective Comics #27 (The Case of the Chemical Syndicate) – Batman #1

Erschienen: Mai 1939 – Frühling 1940

Autor/Zeichner: Bill Finger/Bob Kane


Vor 75 Jahren erschien Detective Comics #27. Es enthielt die erste Batman-Geschichte: The Case of the Chemical Syndicate. Ich kann mich noch erinnern, als ich dieses historische Werk zum ersten Mal las: Im Juni 1999, der Dino-Verlag hatte zum 60. Geburtstag des Helden die 37. Ausgabe seiner Batman-Serie  zur Jubiläumsausgabe erklärt: Das Heft war 64 Seiten dick, bot fünf Geschichten, das Cover war matt-schwarz, mit dem schwarz-gelben Batman-Logo in Hochglanz und wenn man es umdrehte, war da das legendäre Cover von Detective Comics #27 – schon deshalb legendär, weil das Original selten und teuer war.

Die Geschichte dahinter enttäuschte mich zunächst: Sechs Seiten, schlecht gezeichnet (besonders Batman sieht seltsam aus) und eine abgehetzt erzählte Standard-Story um ein Mordkomplott, ohne Spannung oder interessante Charaktere. Man kann diese Story nicht ernst nehmen, zu sehr ist sie von heutigen Lesegewohnheiten entfernt. Aber nach einigen Jahren erkannte ich, dass man sie mit einer historischen Brille lesen muss, so wie man Stummfilme schaut – es ist ein anderes Sehen. Die überraschende Wendung der Geschichte ist nämlich nicht das Lösen des Falls, also wer wen warum getötet hat, sondern dass der reiche, gelangweilte Schnösel Bruce Wayne sich als der Mann hinter Batmans Maske herausstellt. Das mag für heutige Leser klar sein, bei den Lesern von 1939 dürfte das Interesse geweckt und der neuen Figur zum Erfolg verholfen haben.

Auch das Cover ist auf diesen Effekt aus: Im Vordergrund stehen zwei Männer in Hüten, die uns den Rücken zukehren, einer hält eine Waffe in der Hand. Er richtet sie auf Batman, der sich an einem Seil durchs Bild schwingt und einen Mann im Schwitzkasten hält. Wir nehmen die Perspektive der Gangster ein. In gewisser Weise spiegelt sich darin das Cover von Action Comics #1, der ersten Superman-Geschichte aus dem Jahr 1938. Dort ist im Vordergrund ein Mann zu sehen, der erschreckt vor Superman wegläuft, während der Held ein Auto an einem Felsen zerschmettert. Hier hält sich zumindest einer der Gangster bereit zum Schießen. Während das Superman-Cover Übermacht ausstrahlt, geht vom Batman-Cover Gefahr aus. Die Szene kommt – anders als das Bild von Action Comics #1 – im Heft nicht vor. Sie drückt nur aus, für was die Figur steht, nämlich Abenteuer in brenzligen Situationen. Es geht darum, neugierig zu machen: Wer ist dieser Typ im Fledermauskostüm und Maske, der diesen anderen Kerl so souverän am Hals durch die Gegend schwingt? Und wie wird es ihm angesichts dieser anderen Gangster ergehen? Oder vielmehr: Wenn Batman einen Mann mit einem Arm festhalten kann, was wird er erst mit den anderen beiden anstellen?

Es ist lohnenswert, die Batman-Stories aus dem ersten Jahr zu lesen. Man kann dabei zusehen, wie die Figur sich entwickelt, besonders äußerlich: Wie die Maske immer deutlichere Konturen bekommt, wie die Handschuhe sich verändern. Schon in diesem ersten Jahr werden wichtige Wegmarken für den Mythos gesetzt: Schon die erste Geschichte handelt von der für Batman so wichtigen Chemie, eine Gaskammer kommt darin vor und – noch viel wichtiger – ein Sturz in einen Chemietank (was für den Joker wichtig werden soll). Später erfahren wir Batmans Entstehungsgeschichte (Detective #33/Batman #1), in der bereits alle wichtigen Elemente auf zwei Seiten vorkommen, der Sidekick Robin hat seinen ersten Auftritt (Detective #38) und es werden Superschurken eingeführt wie der verrückte Wissenschaftler Hugo Strange (Detective #36) und der Joker (Batman #1). Vor allem letzterer ist bereits ganz der irre, Chaos stiftende Mörder, der Batman immer einen Schritt voraus ist. Nicht zuletzt verdankt diese Pulp Fiction ihren Unterhaltungswert der unfreiwilligen Komik: Es ist drollig zu lesen, wie Batman mit sich selbst spricht und so Sätze sagt wie „Feet, run like you’ve never run before!“ Oder, wenn der Joker auf ihn einschießt und sich fragt, warum sein Gegner nicht stirbt, denkt sich Batman: „Hasn’t the Joker ever heard of a bullet-proof vest!“ Und einmal beginnt eine Geschichte damit, dass Batman sich verfahren hat und nun an einem Haus hält, um nach dem Weg zu fragen (Detective #37). Solche Szenen sind es, die den ersten Stories ihren Charme verleihen.

Batmans erstes Jahr ist versammelt in dem Paperback Batman Chronicles #1 (Englisch) sowie dem Batman Archiv #1 (Deutsch, Dino-Verlag).