Titel: The Black Mirror (dt. Der schwarze Spiegel)
Autor/Zeichner: Scott Snyder/Jock, Francesco Francavilla
Erschienen: 2011 (Detective Comics #871-881, Paperback 2011), dt. Panini 2012 (Sonderband)
„… evil is humanity’s divine spark.“ (Etienne Guiborg/The Dealer)
Erinnern wir uns an das Ende von Year One, als Bruce Wayne in zivil James Gordons Sohn rettet: Das Baby fällt von der Brücke, Wayne springt hinterher und fängt es. Damit ist die Freundschaft zwischen Gordon und Batman besiegelt. Bald darauf zerbricht die Ehe mit Barbara und die Mutter zieht mit ihrem Sohn zurück nach Chicago (vgl. Turning Points). Doch was passiert mit dem Sohn, James Gordon Junior? Dieser Frage hat sich Scott Snyder angenommen. In Black Mirror, der letzten großen Detective Comics-Storyline vor dem Reboot (The New 52), ist Junior das Gegenteil seines Vaters: ein unempathischer Psychopath, der sich an jedem, der ihm blöd kommt, grausam rächt. Nach Jahren sucht er den Vater in Gotham auf, Gordon befürchtet Schlimmes, zunächst scheint er sich zu irren – doch die Zweifel wird er nie los. Autor Scott Snyder spielt mit den Erwartungen der Leser, indem er sie ständig untergräbt. Das erzeugt eine ungeheure Spannung.
Parallel erzählt er von Batman, also Dick Grayson, der Bruce Wayne in Gotham vertritt. Dieser muss zunächst einen Auktionator (The Dealer) aufhalten, der Schurkengimmicks aus Polizeibeständen an Bonzen verhökert, dann muss er den Ursprung eines toten Orca untersuchen, der plötzlich (mit Frauenleiche im Bauch) im Foyer einer Bank liegt, schließlich bricht noch der Joker aus. Die drei Episoden haben auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun, am Ende erschließt sich wenigstens für zwei der Zusammenhang mit dem Hauptplot um James Junior, der es auf seine eigene Familie abgesehen hat und eine neue Generation nach seinem Bilde formen will. Diese Doppelstruktur ist eine eigenartige Erzählweise, die sich auch in zwei verschiedenen grafischen Stilen wiederspiegelt: Die Hefte, in denen Batman die Hauptrolle spielt, sind von Jock gezeichnet, die Gordon-Hefte von Francesco Francavilla. Während Jock sehr kantige Figuren und karge Hintergründe macht, Batman stets von Fledermäusen umgeben ist und der Horror durch zittrige Striche besonders drastisch bei ihm wirkt, pflegt Francavilla einen ruhigeren Stil, der mehr an David Mazzucchelli erinnert, und er koloriert selbst mit knalligen Komplementärfarben.
Diese Stilbrüche sind gewöhnungsbedürftig, aber sie erfüllen ihren Zweck. Zunächst hat man den Eindruck, zwei verschiedene Geschichten zu lesen, bis sich nach und nach beide zu einer zusammenfügen, am Ende wechseln sich die Zeichner alle paar Seiten ab. Beide sind auf ihre Weise große Künstler, Jock besonders bei den Covern, Francavilla beeindruckt am meisten mit einer Doppelseite, auf der sich Gordon in einer Montage an Juniors Kindheit erinnert. Autor Scott Snyder steht beiden in nichts nach: er erweist sich als meisterhafter Erzähler, indem er allen Figuren an Tiefe gerecht wird und dabei auch noch die Stadt Gotham als Protagonisten einführt, der im Hintergrund das Böse aus den Menschen hervorbringt.
The Black Mirror ist eine zutiefst grausame, beunruhigende Geschichte, die trotz ihres Pessismismus sich die Menschlichkeit bewahrt. Dass einige Fragen offen bleiben, bzw. dass Batman die Grenzen der Glaubwürdigkeit überschreitet, kann man da als kleine Makel verzeihen: Für eine Story von so herausragender Qualität und narrativer Innovation kann man bloß dankbar sein.

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