Lee Bermejo

Supermans größter Hater

Titel: Lex Luthor: Man of Steel (Luthor) (dt. Superman/Lex Luthor: Mann aus Stahl)

Autor/Zeichner: Brian Azzarello/Lee Bermejo

Erschienen: 2005 (Mini-Serie #1-5, Paperback 2006, Hardcover 2010), dt. Panini 2005/Eaglemoss 2015


„I believe in humanity. (…) I believe that we must control our own destiny.“

Was treibt Lex Luthor an und warum hasst er Superman? Dieser Frage ist Brian Azzarello in seiner Mini-Serie nachgegangen und hat die folgende Antwort gefunden: Luthor ist nicht, wie sonst üblich, einfach nur egoistisch, weil Superman seine sinistren Pläne durchkreuzt, oder xenophob und deshalb misstrauisch (und auch nicht neidisch auf die Haarpracht seines Widersachers), sondern weil Luthor ein Idealist ist, der an die Entwicklung der Menschheit glaubt, aber in Superman die Hoffnung darauf zerstört sieht. Denn der Stählerne ist in seinen Augen keine Aussicht auf die Möglichkeiten des Menschen, keine Verheißung des Übermenschen, zu dem der Mensch sich entwickeln kann und soll, sondern das Ende des menschlichen Potenzials und seiner Bestrebungen. „The end of our dreams“, sagt Luthor. Und für einen Self-made man widerspricht es der ureigenen Überzeugung.

Damit wird Luthor zum Fredric Wertham als Comicfigur. Der deutschstämmige Psychiater hat im Jahr 1954 in seinem Buch Seduction of the Innocent die These aufgestellt, dass Comics – und damit auch Superhelden – die Jugend verderben würden. Aber noch mehr: Laut Wertham „untergräbt Superman die Autorität und Würde des normalen Mannes und der alltäglichen Frau gegenüber den Kindern“. Er sei eine faschistische Ausgeburt. Für Luthor untergräbt Superman die Moral der Menschen und ihre Hoffnung, sich selbst verbessern zu können. Wenn es einen Superman gibt, der alles kann und den nichts bezwingt, wonach soll der Mensch dann noch streben?

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Spielwiese in Graustufen

DC Comics

DC Comics

Titel: Batman Black and White Vol. 4

Autor/Zeichner: diverse

Erschienen: 2013-2014 (Mini-Serie #1-6, Paperback 2014)


„It’s time to break the pattern, my darlings.“ (Joker)

„In search of justice that is never black or white … it lives in the grey area.“ (Batman)

Parallel zu seiner laufenden Anthologie-Serie Legends of the Dark Knight hat DC mal wieder seine Black and White-Reihe fortgesetzt. Im Gegensatz zu den Freiheiten von Legends müssen sich hier die Autoren auf Zeichner an zwei Regeln halten: Keine Farbe und nur acht Seiten. Doch wie schon angemerkt, bringt die Beschränkung oft die beste Kunst hervor. Während in der Literatur Formen wie Kurzgeschichten, Anekdoten, Aphorismen, Epigramme und Haikus verdichten und pointieren, kann man bei Comics eine ähnliche Wirkung in Strips beobachten – oder eben in Short Storys wie sie in Black and White erzählt werden. (Einem Verächter des Begriffes „Graphic Novel“ sei verziehen, dass er hier einen literarischen Gattungsbegriff auf Comics anwendet, aber es geschieht mangels besserer Begriffe.)

Innerhalb des eng gesteckten Rahmens können sich die Künstler relativ frei austoben, da sie nicht an die Continuity der Serien gebunden sind und auch die Zeichnungen können experimenteller und weniger massenkonform ausfallen. Das macht den Reiz der Reihe aus: Man weiß nicht, was als nächstes kommt. Man weiß nur, dass es nach exakt acht Seiten vorbei sein wird. Und das Kunststück dabei ist, dass es trotz des Mangels an Farbe sehr bunt auf der Spielwiese dieser Blütensammlung zugeht.

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Batman goes Dickens

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DC Comics

Titel: Batman Noël

Autor/Zeichner: Lee Bermejo

Erschienen: 2011 (One-shot)


„Here lies a bat. He died boring predictable and nobody loved him.“

Der geizige Misanthrop, der nach dem Besuch dreier Geister an Heiligabend zu einem guten Menschen wird – diese Geschichte dürfte längst toterzählt sein. Auch Batman ist seinen drei Geistern bereits begegnet, allerdings an Halloween (in Haunted Knight). Doch Lee Bermejo, der sich bislang als Talent am Zeichentisch bewährt hat, meinte, in seinem Erstlingswerk als Autor trotzdem sich diesen alten Hut aufsetzen zu müssen. Und siehe da: das Weihnachtswunder ist ihm gelungen!

Wie schon sein Joker-Band ist auch Noel in einem einzigartigen Stil gestaltet: Realistisch, lebensnah, cineastisch. Gotham erstrahlt ausnahmsweise mal hell, ohne wie am Tag zu wirken, alles leuchtet in warmen Farben. Bermejo hat viel Mühe in Details gesteckt. Auch bewegt sich die Geschichte in einem eigenen, nicht-kanonischen Universum: Batmans Anzug wirkt wie eine selbstgenähte Rüstung, selbst das Batmobil sieht anders, aber durchaus schnittig aus, der Joker hat erneut ein Glasgow-Smile.

Ein Psychogramm des Helden

In so einem erfrischend anderem Setting kann Bermejo die altbackene Geschichte spielen lassen, ohne dass etwas davon angestaubt wirkt. Interessanterweise übernimmt nicht ein Schurke wie etwa der Pinguin die Rolle von Scrooge, sondern Batman. Er ist der hartherzige Fanatiker, der einen alleinerziehenden Vater, der sich als Bote für den Joker verdingt, zum Köder macht und dabei Vater und Sohn gefährdet. Batman ist aber auch einer, der sich selbst ausbeutet, weil er eigentlich mit seiner Husterei krank im Bett liegen sollte, statt auf Jokerjagd zu gehen. Der Vorteil von Noel ist, dass die Story keine Geister im eigentlichen Sinne auftreten lässt, sondern Batman drei bekannten Personen begegnet, die ihn zum Nachdenken bringen: Catwoman, Superman und Joker. Von Geistern spricht lediglich der Erzähler, es handelt sich also um eine Allegorie. Jedoch ist dieser Erzähler so skeptisch und distanziert zu seiner Geschichte, dass auch das darin liegende Pathos ironisch gebrochen wird.

In gewisser Weise kann man Noel auch als zweiten Teil oder Gegenstück zu Bermejos Joker lesen. Während letzteres ein Psychogramm des Schurken ist, ist ersteres eines des Helden. „I guess he’s a necessary evil“, sagt ein Polizist über Batman. Der Held erscheint in einem zweifelhaften Licht. Verständnis zeigt der Erzähler, für ihn ist Batman ein Opfer seines Kampfes geworden:

„He had pretty much resigned himself to the fact that life is a never-ending battle. The darkness of the world had forced him into the shadows, and the only way to combat the monsters was to become one himself. (…) Sometimes, when you work in the dirt, it gets tough after a while to clean yourself off. You get used to the filth. You even start to feel comfortable in it. Then you wake up one day and wonder why everyone else thinks you’re dirty.“

Zum Schluss kommt die Erkenntnis auf dem Friedhof: Lebendig begraben, von einer Schreckensvision geplagt, erkennt Scrooge-Batman, dass wenn er so weitermacht, er nur Schmerzen hinterlassen wird. Also rafft er sich auf und bringt die Dinge wieder in Ordnung.

Wie bei Charles Dickens ist auch Noel eine klassisch-humanistische Weihnachtsgeschichte mit der Prämisse, dass Menschen sich zum Guten ändern können. Daher gibt es auch das typisch romantische Ende, das man aus unzähligen amerikanischen Filmen kennt, wo alles zu Weihnachten nicht nur besser sondern am besten wird. Aber hier passt alles wunderbar zusammen: der Schrecken und die Erleichterung, die Gewalt und die Erlösung. Verblüffenderweise erzählt Lee Bermejo eine alte Geschichte wie zum ersten Mal.

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Joker: Gothams unheilbare Krankheit

Joker

Titel: Joker

Autor/Zeichner: Brian Azzarello/Lee Bermejo

Erschienen: 2008 (One-shot)


„Death, for him — is the punch line.“ (Two-Face)

Eine unerhörte Begebenheit: Der Joker wird aus Arkham entlassen. Warum, ist egal. „I’m not crazy anymore … just mad“, sagt der Joker. Die deutsche Übersetzung „außer mir“ kommt der Doppelbedeutung des Wortes (wütend, wild) sehr nahe, lässt aber die Tatsache außer acht, dass mad auch ein Synonym für verrückt ist und dass es um eine Verschiebung von Nuancen geht. Wie dem auch sei: Nun will der Joker seinen Macht in Gotham zurückerlangen, die ihm während seiner Abwesenheit entglitten ist. Und so schart er Verbündete wie Killer Croc um sich, rächt er sich an seinen Statthaltern – und zwar sehr blutig -, es kommt schließlich zum Krieg mit Two-Face. Der Titel ist Programm, Batman hat erst am Ende einen Kurzauftritt.

Erzählt wird das alles aus der Perspektives eines unbedeutenden Handlangers, Jonny, der den Joker durch die Gegend fährt und dabei ein doppeltes Spiel spielt. Seinen Gedanken folgen wir als Leser, seine inneren Monologe sind etwas wie ein Versuch über das Unfassbare. Er kommt zu der Erkenntnis, dass der Joker nicht krank, sondern selbst eine Krankheit ist: „He was a disease that somehow, with the help of god or the devil — pick your poison — had convinced his doctors he wasn’t diseased anymore.“ Selbst Two-Face wählt diese Methapher, wenn er sagt, die Stadt könne sich diese Krankheit nicht mehr leisten. Und tatsächlich sehen wir den skrupellosesten, brutalsten Joker aller Zeiten: Er häutet einen Menschen bei lebendigem Leibe, in der Nacht überrascht er ein altes Ehepaar im Bett, das er grundlos niedermetzelt, anschließend legt er sich entspannt zu den Leichen.

Doch zugleich erscheint diese Ausgeburt des Teufels auch plötzlich menschlich. Wie das Cover bereits darstellt, ist auch die Geschichte eine Nahaufnahme des Jokers. Anders als in üblichen Batman-Comics sieht man ihn im Alltag seinen Spaß und seinen Ärger haben, man sieht ihn Pillen nehmen und einmal sogar auf den Knien vor Harley Quinn weinen. Trotzdem kommt man ihm nicht näher, diesem unnahbaren Phänomen, auch Jonny verzweifelt schließlich daran, einem Mann nachzueifern, der alles hasst und für den der Tod selbst die Pointe ist. Er ist, denkt sich der Erzähler am Ende, eine Krankheit, für die es keine Heilung gibt – sondern nur einen Batman.

Das Buch kam im selben Jahr heraus, in dem Christopher Nolan in The Dark Knight Heath Ledger als Joker verewigte. Die einzige Verbindung zu dem Film besteht in dem Glasgow-Smile, also den Wangennarben, die der Joker hier wie da trägt. Ansonsten erzählt Autor Brian Azzarello (100 Bullets) eine völlig andere, sehr eigenwillige Geschichte. Der Zeichner, Lee Bermejo, ein wahrer Künstler in der Tradition von Alex Ross, setzt sie kongenial um: Seine Bilder von einem schmutzigen Gotham sind atmosphärisch dicht augefladen und seine Figuren lebensnah gezeichnet. Altbekannte wie Killer Croc, der Riddler und Pinguin erhalten ein neues Aussehen, besonders Batmans Kostüm ist sehr gelungen (mehr davon sieht man in Noel). Schade ist, dass die Zeichnungen nicht durchgängig im typischen Bermejo-Stil gehalten sind (wie bei Noel), sondern häufig mit einem zu kantigem Tuschestrich verschandelt. Aber das ist nur ein Wermutstropfen bei diesem verstörenden Meisterwerk der Erzählkunst.

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