Spielwiese in Graustufen

DC Comics

DC Comics

Titel: Batman Black and White Vol. 4

Autor/Zeichner: diverse

Erschienen: 2013-2014 (Mini-Serie #1-6, Paperback 2014)


„It’s time to break the pattern, my darlings.“ (Joker)

„In search of justice that is never black or white … it lives in the grey area.“ (Batman)

Parallel zu seiner laufenden Anthologie-Serie Legends of the Dark Knight hat DC mal wieder seine Black and White-Reihe fortgesetzt. Im Gegensatz zu den Freiheiten von Legends müssen sich hier die Autoren auf Zeichner an zwei Regeln halten: Keine Farbe und nur acht Seiten. Doch wie schon angemerkt, bringt die Beschränkung oft die beste Kunst hervor. Während in der Literatur Formen wie Kurzgeschichten, Anekdoten, Aphorismen, Epigramme und Haikus verdichten und pointieren, kann man bei Comics eine ähnliche Wirkung in Strips beobachten – oder eben in Short Storys wie sie in Black and White erzählt werden. (Einem Verächter des Begriffes „Graphic Novel“ sei verziehen, dass er hier einen literarischen Gattungsbegriff auf Comics anwendet, aber es geschieht mangels besserer Begriffe.)

Innerhalb des eng gesteckten Rahmens können sich die Künstler relativ frei austoben, da sie nicht an die Continuity der Serien gebunden sind und auch die Zeichnungen können experimenteller und weniger massenkonform ausfallen. Das macht den Reiz der Reihe aus: Man weiß nicht, was als nächstes kommt. Man weiß nur, dass es nach exakt acht Seiten vorbei sein wird. Und das Kunststück dabei ist, dass es trotz des Mangels an Farbe sehr bunt auf der Spielwiese dieser Blütensammlung zugeht.

Perspektivwechsel

Alles hier ist ein Spiel mit Möglichkeiten: von Batman, von Narration in Wort und Bild. Es ist möglich auch mal ein Abenteuer als tödliches Spiel zwischen Batman und Alfred zu zeigen wie in „Hell Night“ von Ivan Brandon und Paolo Rivera), als hätte Batman nachts nichts besseres zu tun. Oder aber man erzählt von einem doppelten Doppelspiel zwischen Two-Face und Batman („Flipside“), bei dem am Ende die Frage, welche Seite der Münze oben liegt, in einer ausweglosen Situation existenzielle Bedeutung erhält. Dass es im Vigilanten-Business viele erste Regeln aber kein Handbuch für sie gibt, zeigt Lee Bermejo in „Rule Number One“, einer Art Lehrstunde für Robin in zivil.

Die Autoren nutzen die Chance, auch einmal Batman von anderen Seiten her zu erzählen: Der Großmeister Paul Dini bemüht mal wieder seine Lieblingsfiguren Harley Quinn und Poison Ivy, um sie vor ihrem Widersacher auch einmal  als Heldinnen dastehen zu lassen – sie werden zu „Role Models“. In „Clay“ sehen wir, wie Robin Clayface im Alleingang zersäbelt. Und auch die Perspektive der kleinen Gauner wird immer wieder eingenommen, um zu zeigen, welche Auswirkungen Batman haben kann: „To Beat the Bat“ von Rian Johnson, eine typische Noir-Story im Stil des Films Frau ohne Gewissen (im Original: Double Indemnity), ist ein Paradebeispiel dafür, wie man eine Möglichkeit eindringlich und bis zur letzten Konsequenz durchspielen kann. Ein Meisterstück.

Selbstbespiegelung

In anderen Geschichten bekommen wir Einblicke in Batmans Seele und Intimleben. „A Place in Between“ (Rafael Albuquerque) erzählt von Batmans Leben nach dem Tod: Deadman spielt den Fährmann und konfrontiert ihn mit den Traumata seiner Vergangenheit und seinen Ängsten. „Hall of Mirrors“ (Damion Scott) nimmt die Selbstbespiegelung wörtlich und ist eine eine manieristische, aber letztendlich banale Nabelschau, die man meint schon öfter besser gesehen zu haben. Eine Sicht von außen bietet „Bruce“: Olly Moss und Becky Cloonan beschreiben darin, wie sich all die Frauen fühlen, die der Playboy abschleppt und dann einsam am nächsten Morgen in seinem Bett aufwachen lässt. Es ist die traurige Bilanz der Hälfte eines Doppellebens, die aus Entschuldigungen, faulen Ausreden und Enttäuschungen besteht.

Doch Batmans Herz gehört natürlich nur einer Frau: Selina Kyle. Und so lässt Dustin Nguyen Batmans „Long Day“ (eigentlich eine lange Nacht) mit einer langen Schweigesequenz mit Catwoman enden, dafür opfert er sogar zwei seiner acht Seiten – und sie gehören zu den schönsten im Band. In „She Lies at Midnight“ vertieft Adam Hughes die Verbindung zu Selina, indem er Batman Rache dafür nehmen lässt, dass irgendwelche „scumbags“ sie verkrüppelt haben. Viele Knochen brechen, der alten Haudegen Slam Bradley hilft kräftig mit, aber wer des Englischen mächtig ist, erkennt schon am Titel, dass „lie“ eine doppelte Bedeutung hat.

Präventionsarbeit

Batman entdeckt bei allem Heldentum auch eine soziale Seite. In „Hope“ (Jimmy Palmiotti und Andrew Robinson) gerät Bruce Wayne durch einen absurden Zufall in eine Suppenküche von Ordensschwestern und bekommt die Geschichte eines Armen zu hören, woraufhin der Mäzen vorbildliche Präventionsarbeit leistet statt einfach nur die bösen Buben zusammenzuschlagen und einbuchten zu lassen. In „Batman Zombie“ von Altmeister Neal Adams wird Batman mit den Sorgen des kleinen Mannes konfrontiert, die Opfer der alltäglichen Ungerechtigkeit geworden sind: Eine Frau wird wegen Rückständen bei der Hypothek aus ihrem Haus geworfen, ein arbeitsloser Vater stiehlt Essen für seine Familie, zwei Männer sitzen für viele Jahre im Knast wegen Bagatellen. Doch Batman, der  als Zombie erscheint, beteuert, er könne nichts für sie tun, und schleppt sich davon. Zum vollen Leben und Elan erwacht er nur, als es darum geht, die üblichen Superschurken zu vermöbeln. Am Ende war alles nur ein Traum und Bruce Wayne erkennt, dass Batman auch mal unnütz sein kann – „little more than a lifeless burden“. Auch formal ist „Batman Zombie“ eine Ausnahmegeschichte: sie ist als einzige nur mit Bleistift gezeichnet.

In der ganzen Vielfalt der Stile, von denen einige den Geschmack herausfordern, gibt es einige ganz wurderbare, die Panels in bewährter Qualität liefern wie Lee Bermejo und Rafael Albuquerque. Storys wie „Man-Bat out of Hell“ (Dan Didio und J.G. Jones) und „Ghost of Gotham“ (Nathan Edmondson und Kenneth Rocafort) leben eigentlich allein von den kunstvollen Bildern. Auch cartoonhafte Zeichnungen wie von Daniel Cho („Don’t Know Where, Don’t Know When“) und Dave Bullock („Silent Knight … Unholy Knight!“) bestechen durch Dynamik und einen charmanten Retro-Stil, den auch Darwyn Cooke pflegt (leider hier nicht vertreten). Der Retro-Effekt wird bei Bullock verstärkt, indem er seinen Comic an den Stummfilm anlehnt, auch wenn Batman strenggenommen keine Figur aus dieser Ära ist – aber auch dafür ist die Spielwiese da.

Mind-Twister

Die experimentellsten Storys sind zwei vertrackte Meta-Geschichten. „I Killed the Bat“ (Blair Butler, Chris Weston) erzählt eine Geschichte in der Geschichte, bei der man sich nicht sicher sein kann, was Fakt und Fiktion ist. Eine Batman-Comiczeichnerin ersticht einen Mann (mutmaßlich ihren Ehemann), weil er sie gestört hat, Batman kommt dazu, sie sticht ihn ebenfalls ab und dann sehen wir sie als alte Frau im Knast, wie sie die bisherige Geschichte als Comic zeichnet. Danach schwirrt einem der Kopf.

Die mit Abstand anspruchvollste Geschiche ist „It’s a black and white world“, Autor und Zeichner Rian Hughes konterkariert sie, indem er sie in einem 60er-Jahre-Cartoon-Stil bringt. Er kombiniert dabei altmodische Science Fiction mit knallharter Satire auf den Kunstbetrieb und streut dabei noch kräftig Zeichentheorie ein (also Semiotik). In der Geschichte gehen – ähnlich wie beim Turm zu Babel – die Bedeutungen der Zeichen verloren. Den Ursprung allen Übels finden Batman und Robin (begleitet von einem freundlichen Alien) im Museum für moderne Kunst. Dort absorbiert ein abstrakter Schurke namens Neoplastic Man alle Bedeutung. Batman und Robin landen in der Bathöhle, die nur noch ein „extradimensional narrative simulacrum“ ist, das heißt, dass die Dinge nicht mehr Symbole sind, sondern nur noch in ihrer abstrakten Bedeutung als Funktionen der Geschichte erscheinen. Mit anderen Worten: liegt der Subtext offen dar, geht der Spaß flöten. Am Ende lösen sich Batman und Robin in abstrakte Schwarz-weiß-Gestalten auf. Batman reflektiert sein eigenes Medium:

„We’re becoming universals, simple shapes on a pulped wood substrate! Can you see these dots? A printer’s screen gives us the illusion of greyscale, when all we really have is black and white … Get down to the basic foundations and it’s a simple binary choice, Robin … Black or white? Good or evil?“

Am Ende wird die Normalität mit einem Schuss aus der Strahlenkanone wiederhergestellt. Man könnte so viel mehr über diese Geschichte sagen, wild analysieren, dekonstruieren und auf die Bedeutung für das Gesamtwerk Black and White beziehen, aber da dieser Artikel bereits zu lang ist, belassen wir es damit, die Story einen Abgesang auf die Interpretationswut zu nennen und ermuntern dazu, dieses Buch einmal selbst zu genießen – am besten ganz naiv und begeisterungsfähig mit dem Blick des Kindes. (Sofern so etwas für gereifte, reflektierte Gemüter noch möglich ist.)

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