Ed Brubaker

Der Tod des Bruce Wayne

Titel: Bruce Wayne: Murderer?/Fugitive (dt. Bruce Wayne – Mörder/Auf der Flucht)

Autor/Zeichner: Ed Brubaker, Chuck Dixon, Devin Grayson, Kelley Puckett, Greg Rucka/Rick Burchett, Scott McDaniel u.a.

Erschienen: 2002 (alle Serien), Paperbacks 2014 (New Edition), dt. Panini 2003-2004 (2 Bände „Mörder“, 3 Bände „Auf der Flucht“)


„I know he’s a bit of a lady killer …“

„… killer’s don’t go free.“ (Batman)

„… I know that I’m not an easy person to know.“ (Bruce Wayne)

Irgendwann beim Comiclesen kam mir eine Idee: Wäre es nicht cool, wenn Batman mal selbst unter Mordverdacht stehen würde? Wenn er als Bruce Wayne unschuldig hinter Gitter käme, fliehen würde und dann – ganz nach Dr. Richard Kimble-Manier – versuchen würde, den wahren Täter auf der Flucht zu fassen? Doch bevor ich meine Fantasie ausleben konnte, stellte ich nach kurzer Recherche fest: die Idee hatten andere schon vor mir – und DC hat ihr eine ganze Storyline gewidmet, die über 1000 Seiten umfasst.

Sie liest sich so: Als Batman mit seinem Sidekick (und Bodyguard) Sasha Bordeaux von der Patrouille zurück nach Wayne Manor komm, findet er seine alte Freundin Vesper Fairchild tot auf – ermordet. Kurz darauf trifft die Polizei ein und nimmt Bruce Wayne und Sasha wegen Mordverdacht fest. Während Wayne im Knast sitzt und die Aussage verweigert, versucht der Rest der Bat-Familie herauszufinden, wer Bruce den Mord angehängt hat. Nachdem sie herausfinden, dass Vesper Batmans Geheimidentität gelüftet hat, kommen Zweifel auf, ob der Held, der niemals tötet, erstmals eine Ausnahme gemacht haben könnte. Doch kaum haben die Mühlen der Justiz angefangen zu mahlen, bricht Wayne aus dem Knast aus, fingiert für Wayne eine Flucht ins Ausland und erklärt seine zivile Identität für tot. Das macht vor allem Nightwing stinksauer, der Batman seine Meinung mit den Fäusten sagt.

Batmans Lethargie

Aber Batman bleibt stur, geht seinen Weg alleine, erklärt Bruce Wayne für tot, ist nur noch als Batman unterwegs – und tut so, als wäre nichts gewesen. Und das ist der schwer nachvollziehbare Aspekt an Bruce Wayne – Murderer?: Nicht nur, dass Batman sich erneut von seinen Mitstreitern isoliert, er bleibt auch eigenartig lethargisch, wie schon zuvor bei seinem „Urlaub“ nachdem Gotham zum Niemandsland erklärt wurde und nach dem Attentat auf James Gordon. Statt, wie es für den größten Detektiv der Welt üblich wäre, Vespers Mörder zu suchen, übernehmen Nightwing, Robin, Batgirl und Orakel diese Aufgabe und Batman kümmert sich lieber um Nachrangiges wie einen Feuerteufel und Bombenleger, um Drogendealer und einen Pseudo-Engel sowie einen Frankenstein-Typ, der Zombies erschafft. Das alles lenkt zu sehr von der Hauptgeschichte ab, ebenso wie die vielen anderen Binnenhandlungen um Robin, Nightwing, Batgirl, Spoiler, Black Canary und sogar Blue Beetle. Dadurch wird das Epos auf sein Überformat gestreckt und verliert an Stringenz. Dafür hätte man gerne den Ausbruch von Bruce Wayne gesehen. Aber diese Szene wird – völlig unverständlicherweise – ausgespart und bloß in ein paar Sätzen nacherzählt.

In der Fortsetzung (die Fugitive heißt, obwohl Wayne schon länger auf der Flucht ist) fängt sich Batman wieder, indem er sich auf seine Anfänge zurückbesinnt, auf die im ersten Jahr als Vigilant und auch auf seine Begegnung mit Detective Sloan, der dem Jungen Bruce versprochen hat, den Mörder der Eltern zu fassen – aber es nie geschafft hat. Schließlich findet er zu seiner Identität als Bruce Wayne zurück. Doch von seiner Hauptaufgabe wird er zunächst von einem Subplot um Drogen und der Organisation Checkmate sowie einem Intermezzo mit der alten Reizbacke Azrael abgelenkt. In der Zwischenzeit versuchen Nightwing, Robin und Batgirl, das Verbrechen an Vesper zu rekonstruieren. Aber sie hätten sich die Mühe auch sparen können, denn auf den Mörder und seinen Auftraggeber kommt Batman schließlich ganz schnell von selbst. Unnötigerweise bleibt aber auch viel zu lange die Frage bestehen, ob nicht doch Batman selbst den Mord verübt haben könnte. Erst viel zu spät spricht Nightwing aber das Naheliegendste aus, nämlich dass Batman es bestimmt besser angestellt hätte, als seine zweite Identität damit zu gefährden. Auch hier leidet die Geschichte an zu viel unnötigem Beiwerk.

Keine üblichen Verdächtigen

Die Lösung des Falls befriedigt nur leidlich. Die Motivation des Urhebers ist schwer nachzuvollziehen und wird nur oberflächlich erklärt. Auch bleibt unverständlich, warum Batman ihn nicht verfolgt oder wenigstens zur Rede stellt. Wie sonst auch bleibt der Held desinteressiert. Stattdessen gibt es nur einen Epilog darum, dass Batman den reumütigen Auftragskiller vor dem Attentäter Deadshot zu bewahren versucht, und dass Sasha auf Umwegen aus dem Knast kommt. Warum Bruce Wayne nach seiner Flucht ohne Konsequenzen zu seinem zivilen Leben zurückkehren kann – und das auch noch ohne dass die Polizei fragt, wie er das gemacht hat – bleibt wohl das größte Rätsel der Geschichte.

Auch visuell befriedigen Murderer und Fugitive nicht. Die Zeichnungen variieren in Stil und Qualität, bleiben aber meist auf durchschnittlichem Niveau, einige Male sogar darunter. Die Stümperei fällt vor allem im Vergleich mit den meisterhaften Covern von Brian Bolland auf (The Killing Joke). Trotzdem gibt es einige stimmungsvoll gelungene Panels. Und auch die meisten Kapitel sind (zumindest in der ersten Hälfte) einnehmend erzählt, etwa in den Momenten des Zweifels, wenn Alfred in der Bathöhle darüber räsonniert, was Mord mit einem macht und mit Nightwing darüber spricht, ob Bruce nicht doch dazu fähig wäre, oder wenn Leslie Thompkins Bruce im Gefängnis besucht und nur von ihm angeschwiegen wird. Selbst wie Bruce und Sasha sich im Gefängnis fühlen, wird sehr eindringlich vermittelt. Interessant ist an dieser Geschichte ist, dass sie auch (bis auf Deadshot und Catwoman) ohne die klassischen Schurken auskommt und auch keinen neuen einführt. Zur Abwechslung tut es gut, die üblichen Verdächtigen ruhen zu lassen.

Damit ist die Story trotz der vielen Durchhänger und Schwächen zwar meistens unterhaltsam zu lesen, gäbe es nur die Hälfte der über 1000 Seiten, hätte das der Handlung besser getan.

(Ich denke, meine Version wäre gelungener gewesen.)

>> Batman 2000-2011

Hardboiled Gordon

James Gordon (Teil 5)

Batman: Gotham Noir

DC Comics

Titel: Gotham Noir

Autor/Zeichner: Ed Brubaker/Sean Phillips

Erschienen: 2001 (One-shot), dt. Panini 2002


„All I had figured out was that things were definitely not going my way, and I had no real idea why. And that’s when the world decided to get even weirder…“ (James Gordon)

Was wäre wenn … James Gordon im Zweiten Weltkrieg gekämpft hätte? Dann wäre er wohl so kaputt, dass er seinen Posten bei der Polizei verloren und zum trinkenden, hartgesottenen Privatdetektiv geworden wäre. Gotham Noir, das im Jahr 1949 spielt, ist genau das, was der Titel verspricht: Ein Comic Noir par excellence. Das Cover gibt den Stil der Schundromane vor. Und Autor Ed Brubaker versteht das Handwerk dieser Tradition. So ist die Geschichte ein klassischer Krimi: Gordon bekommt von seiner alten Flamme Selina den Auftrag, eine junge Frau bei einer Party zu bewachen. Kurz darauf ist die Dame tot, ihr Beschützer wacht neben ihr am Strand auf und weiß nicht nur mehr, wie es dazu gekommen ist. Zudem ist er auch der Hauptverdächtige.

Es beginnt eine Ermittlung zwischen den Fronten: Gangstern und korrupten Politikern, Staatsanwalt Dent und einer mysteriösen Fledermaus, die Gordon aus dem Schatten heraus hilft. Das ist durchaus wörtlich gemeint, denn Batman sieht man das ganze Comic über nur als schwarze Silhouette mit weißen Augen. Natürlich muss es auch eine Art Joker geben (Brubaker hat auch The Man Who Laughs geschrieben), aber der wird relativ subtil eingeführt als Handlanger, der von Gordon als Informant für Dent entlarvt wird, daraufhin ein Glasgow-Smile verpasst kriegt und sich dafür an Gordon rächen will.

Die Zeichnungen von Sean Phillips erfüllen ihren Zweck im Sinne des Genres: Viel Schwarz, starke Kontraste, gedeckte Farben wie bei Year One. Manchmal wirken die Figuren etwas zu steif, aber ansonsten schafft es der Zeichner, die Noir-Stimmung gut wiederzugeben, auch wenn ihm die künstlerische Finesse eines Tim Sale abgeht. Definitiv gehört das Buch zu den besseren Elseworlds-Geschichten, vor allem wegen seiner Charakterstudie.

Wer Spaß an dieser Story hat, sollte auch mal Nine Lives lesen. Darin spielt Dick Grayson einen Privatdetektiv in einem ähnlichen Szenario.

>> Liste der Batman-Elseworlds-Comics

Die Grenzen der Strafverfolgung

DC Comics

DC Comics

Titel: Officer Down

Autor/Zeichner: Ed Brubaker, Chuck Dixon, Greg Rucka u.a./diverse

Erschienen: 2001 (Batman #587, Robin #86, Birds of Prey #27, Catwoman #90, Nightwing #53, Detective Comics #754, Batman: Gotham Knights #13; Paperback 2001)


„… you are not James Gordon’s only friend.“ (Alfred)

Commissioner James Gordon geht gerade von einer Geburtstagsfeier heim, da sieht er in einer Gasse Catwoman, er will sie stellen, schießt auf sie, da erwischen ihn selbst drei Kugeln in den Rücken. Niemand weiß, wer’s war, aber alle suchen erst mal nach Catwoman. Und während die ganze Batman-Familie versucht, die Katze einzufangen, steht das Familienoberhaupt am Krankenbett seines Freundes und macht sich selbst Vorwürfe. Nachdem Catwoman alle überzeugt hat, nichts mit der Sache zu tun zu haben und den Verdacht auf einen Polizisten lenkt, wendet sich die Story der Polizei zu. Die Ermittler stoßen beim Verhör schnell an ihre Grenzen – und müssen feststellen, dass ihre Eitelkeit, Batman nicht zu Hilfe zu rufen, ein Fehler ist. Am Ende geht Gordon in Ruhestand. Und seine Leute üben Selbstjustiz.

Die Story hat einige logische Schwächen. Die größte: Warum geht Catwoman, wenn sie unschuldig ist, nicht gleich zu Batman, übergibt ihm die Tatwaffe und erzählt ihm die Wahrheit? Antwort: Damit die Bat-Familie was zu tun kriegt. Seltsam ist auch, dass Batman so nutzlos ist. Selbst am Ende kann seine Verhörtaktik, ein Geständnis aus jemandem rauszuprügeln, nicht fruchten. Am Ende schmollt er auch noch, weil Gordon seine Entscheidung aufzuhören ohne ihn trifft.

Officer Down wäre eine interessantere, weil ungewöhnliche Geschichte, wenn sie besser gezeichnet wäre. Die meisten Künstler liefern entweder entstellte, starre oder zu stark überzeichnete Figuren ab. Kaum etwas davon trägt dazu bei, das Comic gerne zu lesen. Ein zwiespältiges Vergnügen.

>> Batman 2000-2011

Batman und Gordon: Wendepunkte einer Freundschaft

James Gordon (Teil 2)

DC Comics

DC Comics

Titel: Turning Points

Autor/Zeichner: Ed Brubaker, Chuck Dixon, Greg Rucka/Steve Lieber, Joe Giella, Dick Giordano, Brent Anderson, Paul Pope

Erschienen: 2001 (Mini-Serie #1-5, Paperback 2007)


„Everyone needs a friend.“ (Batman)

Batman und Gordon – die beiden gehören von Anfang an zusammen. Nicht nur historisch. Year One beginnt damit, dass beide gleichzeitig in Gotham ankommen. Im Laufe der Geschichte werden aus Gegnern Verbündete, spätestens als Batman Gordons Sohn rettet. Doch weil der Gesetzeshüter und der Vigilant einen Pakt jenseits der Regeln haben, kommt es immer wieder zu Spannungen zwischen den beiden. Gordons Konflikt ist stets geprägt davon, zerrissen zu sein zwischen Gesetzestreue und Illegalität.

Davon handelt Turning Points. Die Mini-Serie dient als Vorbereitung der Storyline Officer Down. Es werden fünf Episoden aus der gemeinsamen Vergangenheit beleuchtet. Verbunden sind sie bloß durch die Figuren und eine rahmende Handlung in der ersten und in der letzten Story. Die erste spielt kurz nach Year One: Gordon hat mal wieder den Termin bei der Eheberatung versäumt, Barbara ist mit dem Sohn nach Chicago zurückgezogen und hat ihrem Mann nur die Scheidungspapiere dagelassen. Kurz darauf muss sich Gordon um einen Irren kümmern, der in einer Kirche ein zu vermählendes Paar bedroht. Batman greift ein und rettet die Geiseln unblutig. Für ihn ist es eine Bewährungsprobe, weil er, wie er sagt, Gordons Segen haben will. Am Ende sprechen sie über Freundschaft. Gordon regt sich darüber auf, dass diese Freundschaft sehr einseitig sei. Aber Batman versichert ihm, dass sie mehr verbindet, als Gordon denkt.

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Joker – Das erste Mal

The man who laughs

Titel: The Man Who Laughs

Autor/Zeichner: Ed Brubaker/Doug Mahnke

Erschienen: 2005 (One-shot)


The Man Who Laughs weist in vier Richtungen: Zum einen stammt der Titel vom gleichnamigen Stummfilm, dem der Joker sein Aussehen zu verdanken hat. Zum zweiten wird hier die erste Joker-Story aus Batman #1 (1940) neu erzählt. Zum dritten knüpft die Geschichte stilistisch wie inhaltich an Year One an. Schließlich gibt es noch eine Anspielung auf die Red Hood-Episode aus The Killing Joke. Es handelt sich um Batmans erste Begegnung mit dem Killer-Clown. Und wie schon bei Frank Miller beginnen wir, den Schauplatz durch die Augen von James Gordon zu sehen. Die Polizei hat ein Lager für Leichen mit furchtbar verzerrten Gesichtszügen entdeckt. „What the hell is happening to my city?“, fragt sich ein fassungsloser Gordon. Ein bis dahin noch Unbekannter hat Versuche an Menschen durchgeführt. Kurz darauf kündigt der Joker im Fernsehen seinen ersten Mord an. Anders als in der Ur-Fassung hat es der Schurke nicht auf Juwelen, sondern auf reinen Terror abgesehen. Während das ‚Lachgas‘ an seinem Opfer wirkt, entlässt der Joker ein paar Verrückte aus Arkham, damit sie Chaos auf den Straßen verbreiten. Zum Schluss will der Joker – auch das eine Änderung zugunsten der Story – Bruce Wayne an den Kragen, während er plant, die ganze Stadt zu vergasen …

Wer die Vorlage gelesen hat und nicht viel damit anfangen konnte, wird hier mit Genuss entschädigt: Es ist ein Gefühl, als hätte diese alte Geschichte heute genau so und nicht anders erzählt werden müssen: Mit dem nötigen Spannungsaufbau und einigen Überraschungen, krachender Action und beklemmenden Szenerien. Zwar ist sie eine typische Joker-Story, wie sie schon aus Burtons erstem Batman-Film und der Zeichentrickserie der 90er bekannt ist, doch ist sie – visuell und so gut erzählt und mit neuen Ideen angereichert, dass es ein Vergnügen ist, die Seiten umzublättern. Vor allem aber ist The Man Who Laughs ein wichtiger Lückenschluss der Joker-Mythologie.

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