Es ist die große Lüge des Batman-Mythos: „Batman created by Bob Kane“. 76 Jahre lang war es so oder ähnlich in allen Comics und Filmen zu lesen. Aber es war bestenfalls nur die halbe Wahrheit. Erst 2015 änderte sich der Credit: „Batman created by Bob Kane with Bill Finger.“ Viele Fans wussten damals mit dem zweiten Namen nichts anzufangen. Bis der Name bekannt wurde, war es ein langer harter Kampf.
Bill Finger war nicht nur der Autor der ersten Batman-Storys, er schrieb nicht nur Batman-Comics bis in die 60er Jahre hinein, er erschuf auch Batmans ganze Welt. Finger erfand Charaktere wie Robin, Commissioner Gordon, Joker, Catwoman, Clayface I & II, Two-Face, Riddler und Mad Hatter, er gab Gotham City seinen Namen und überhaupt machte er Batman zu dem, was er heute ist.
Am Anfang war nur Bob Kanes Idee: der Name „Bat-Man“ und eine Zeichnung, die wenig mit dem zu tun hat, wie Batman später geworden ist: ein Typ in roter Unterwäsche, mit steifen schwarzen Flügeln und einer Augenmaske – keine spitzen Ohren, kein Logo auf der Brust. Es war Bill Finger, der vorschlug, Batman zu einer düsteren Figur der Nacht zu machen, sein Gesicht von einer Maske zu verdecken, die ihn wie eine Fledermaus aussehen ließ, und ihm ein Cape zu verleihen.
Die Idee kam bei DC (damals noch National Comics) gut an, Bob Kane schloss einen Vertrag mit dem Verlag, Bill Finger wurde zu seinem Ghostwriter und damit auch zu seinem Angestellten. „The Bat-Man“ wurde von seinem ersten Auftritt in Detective Comics #27 (1939) ein Hit. Künftig stand unter jeder Geschichte „Bob Kane“, auch wenn später andere Zeichner und Autoren übernahmen. Aber Bill Finger wurde niemals erwähnt.
Bis in die 60er Jahre hinein kannte niemand diesen Namen, bis er auf einer Convention auftrat. Erst 1966 bekam er einen Credit für seine Autorschaft an Batman – eine Doppelfolge für die Batman-TV-Serie mit Adam West, die er zusammen mit seinem Freund Charles Sinclair schrieb (The Clock King’s Crazy Crimes/The Clock King Gets Crowned). Als es sich unter Fans herumsprach, dass Bill Finger der Mann hinter Batman war, zeigte sich Bob Kane unfair: Er widersprach der Behauptung öffentlich und sagte, er allein habe Batman erschaffen.
Erst nach Fingers Tod änderte sich das. Der Autor starb 1974 einsam und verarmt in seiner Wohnung. Er wurde nicht mal 60 Jahre alt. Er bekam ein anonymes Grab. Bob Kane allerdings hatte sich früh einen Anteil an den Einnahmen von Batman gesichert und heimste bis in die 90er den Ruhm dafür ein. Trotzdem gab er in späteren Jahren zu, dass Finger zu „50 bis 75 Prozent“ an Batmans Entstehung beteiligt war.
Diese Geschichte erzählt der Dokumentarfilm Batman & Bill (2017). Er zeigt, wie der Autor Marc Tyler Nobleman versucht hat, mehr über Bill Finger herauszufinden, um ein Buch über ihn zu schreiben (Bill the Boy Wonder: The Secret Co-creator of Batman, 2012). Nobleman machte die letzte Nachfahrin ausfindig, die Großenkelin Athena Finger, und begleitete sie bei ihrem Kampf um Fingers Anerkennung als Batman-Mitschöpfer.
Obwohl Comic-Historiker längst Fingers Autorschaft anerkannt hatten, sperrte sich Warner Bros. lange Zeit dagegen, Finger zu nennen, wohl aus Angst, dass damit weitere Ansprüche gestellt werden könnten. Aber um Geld ging es Athena Finger nicht. Erst 2015 setzte sie durch, dass Bill Finger genannt wird. Auf der Leinwand wurde er erstmals im Film Batman v Superman erwähnt.
Batman & Bill erzählt nicht nur von einem vergessenen Kapitel Comicgeschichte als spannende Recherche, sondern auch von einer dramatischen Familiengeschichte. Bill Fingers einziger Sohn Fred verließ seine Familie, nachdem er sich zu seiner Bisexualität bekannt hatte, er erkrankte an Aids und starb 1992 daran.
Interessanter Nebeneffekt: Nobleman wird selbst zum Detektiv, um dem wahren Schöpfer von Batman zu seinem Recht zu verhelfen. Ganz wie sein Vorbild Batman.
Leider ist die Dokumentation nur auf Hulu in den USA zu sehen. Eine deutsche Version fehlt.
UPDATE: Batman & Bill erscheint am 17. Oktober 2019 in Deutschland auf Blu-ray.
Hinweis: Bill Finger schrieb seine letzte Detective-Comics-Ausgabe 1964 (#328)– es war das Heft, in dem Alfred Pennyworth (scheinbar) stirbt. Seine letzte Batman-Ausgabe war #177 (1965), seine allerletzte Arbeit an Batman kann man in World’s Finest #165 (1967) nachlesen.
Danke für den Beitrag, Lukas. Echt krass, die wahre Geschichte hinter dem Mythos. Hab diese Doku hier vor einem Jahr oder so angeschaut, zusammen mit meiner Frau. Ich wusste ja schon immer, dass Bob Kane ein Schlitzohr war und dass da nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein konnte. Aber die Tatsache, dass Bill Finger arm und allein gestorben ist ohne die Anerkennung besessen zu haben, Batman zu großen Teilen mit erschaffen zu haben, das ist eine echte Schande. Da fehlen mir die Worte und das will bei mir echt was heißen. Shame on you, Mr. Robert Kahn.
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