Eigentlich beginnt die Geschichte von Detective Comics bereits 1935, als Verleger Major Malcolm Wheeler-Nicholson die Idee hat, ein Comicheft mit neuem Material herauszubringen. Was heute selbstverständlich ist, war damals revolutionär, denn wenn sich jemand die Mühe machte, Comichefte zu drucken, handelte es sich bloß um Nachdrucke bewährter Zeitungsstrips. In den Zeitungen war der gute Stoff enthalten – doch die Lizenzen waren teuer. Jedenfalls teurer, als junge Künstler mit neuen Werken zu betrauen. Außerdem hatte der Major eigene kreative Ambitionen. Daher wagte er das Unternehmen: all-new, all-different, würde man heute sagen. Damals hieß das: New Fun Comics. Nach sechs Ausgaben wurde „More Fun“ daraus. Doch das war nur der Anfang.
Zwei Jahre später folgte dann ein Heft mit Kriminalgeschichten: Detective Comics. Es war das erste Comicheft, das einem Thema gewidmet war und Bestand hatte. Erfinder und Redakteur Vince Sullivan hatte sich wahrscheinlich von Groschenheften wie „Spicy Detective“ dafür inspirieren lassen, doch es gab auch schon eine kurzlebige Comicserie namens „Detective Picture Stories“ (1936-1937, von The Comics Magazine Company), an der sogar Bob Kane einmal mitwirkte (#5).
An diesem gescheiterten Vorläufer sieht man, dass das Projekt „Detective Comics“ ein Wagnis in einer noch jungen Branche ohne Erfahrungswerte war. Wheeler-Nicholson borgte sich Kapital von Harry Donenfelds Vertrieb Independent News. Donenfelds Buchhalter und Geschäftsführer Jack Liebowitz wurde Teilhaber der neu gegründeten Firma Detective Comics Inc. Der Major ging später pleite – doch die neue Firma blieb.
Die „gelbe Gefahr“
Das erste Cover der neuen Serie hat kaum Bezug zum Titel. Statt eines Dick-Tracy-Verschnitts mit Fedora starrt uns ein chinesischer Schurke nach dem Schema von Doctor Fu Manchu an: ein graues Gesicht, ein langer Schnurrbart, tote weiße Augenschlitze, spitze Raubtierzähne. Mit Schurken generiert man mehr Aufmerksamkeit als mit Helden. Dieses Bild war damals sicher furchterregend, heute finden wir es eher fürchterlich, weil es rassistische Stereotype bedient – wahrscheinlich einer der Gründe, dass der Verlag damit heute nicht gern hausieren geht und es in der Detective-Comics-Anthologie zum 80-jährigen Jubiläum keinen Nachdruck daraus gab, sondern pro forma nur das Cover im Miniaturformat abgebildet war.
Noch deutlicher wird der Rassismus im Heft: Da lässt Verleger und Autor Wheeler-Nicholson einen Helden gegen die „gelbe Gefahr“ kämpfen, Chinesen mit gelber Haut und schlechtem Benehmen. In „The Claws of the Red Dragon“ betritt ein gewisser Bruce Nelson ein leeres chinesisches Restaurant, wird nicht bedient, dann nur nach Aufforderung, und während man sich fragt, warum er nicht einfach wieder geht, erscheint eine hübsche Frau mit ihrem Vater im Lokal, bekommt zunächst großzügigen Service und wird kurz darauf entführt.
Auch wenn die eindimensionale, klischeebeladene Figurenzeichnung abschreckt, überrascht die Story formal: Denn anders als die meisten Geschichten sind die Panels nicht gleichförmig wie bei Zeitungsstrips, sondern variieren in der Größe, dramatische Momente bekommen Splash Panels, die sogar die halbe Seite füllen. Die Schöpfer des neuen Mediums entdecken die befreienden Vorteile des Formats Comicheft.
Die Angst vor der „gelben Gefahr“ ist auch Thema von „The Streets of Chinatown“. Der Name des Helden: Slam Bradley. Die Schöpfer: die Teenager Jerry Siegel und Joe Shuster, die so ihr Geld verdienten, während sie einen Abnehmer für ihren Superman suchten. Hier beginnt es gleich mit Action, der Name „Slam“ ist Programm: Er vermöbelt ein paar Chinesen. Das macht ihm offenbar Spaß, weshalb er sehr ungehalten ist, als man ihn dabei unterbricht. Später befreit Slam zusammen mit seinem kleinen Sidekick Shorty (einem Möchtegerndetektiv) eine Frau aus den Fängen der Chinesen, einen wirbelt er am Zopf herum, beschimpft sie als „yellow rats“ und „fish-faced amoeba“, in den Captions ist von „chinks“ die Rede. Slam zerreißt sich das Hemd, kriegt die Braut, schießt sie aber kurz darauf wieder ab, weil: „‚Shorty‘ and I love trouble -. But not ‚women trouble‘.“
Auch in späteren Heften der Serie blieben Karikaturen von Asiaten beliebte Gegner. Doctor Fu Manchu tauchte ab Heft #17 in Bildergeschichten (ohne Sprechblasen) auf.
Spione und maskierte Rächer
Von Siegel und Shuster stammt auch der Detective-Comics-Beitrag Bart Regan, Spy. Hier spielt der Autor bereits mit dem Konzept der Doppelidentität, das für Clark Kent essenziell ist. Dem US-Agenten Bart Regan wird scheinbar gekündigt, damit er in einer Tarnidentität gegen Staatsfeinde ermittelt. Er opfert dafür seine Beziehung. Doch seine Ex gibt nicht auf und folgt ihm zu einem Ball, wo sie ihn in Bedrängnis bringt, während eine andere ihn vergiften will. Auch hier gilt: No Woman No Cry. Das gilt für Hardboiled Detectives wie später für Superhelden. Zölibatäre oder asexuelle Figuren, die autonom bleiben (und eigentlich nicht erwachsen werden wollen), kommen bei jungen Lesern anscheinend gut an.
Weitere Abenteuer in der Erstausgabe stammen von austauschbaren Figuren wie Speed Saunders and the River Patrol (wieder gehts um Chinesen, diesmal als illegale Einwanderer) und dem Verkleidungskünstler Cosmo, the Phantom of Disguise (der sich in Detective #27 als Chinese verkleidet). Bei zwei Geschichten hat man sich die Farbe gespart, dafür aber die US-Großstadt verlassen: Der international Detective Bret Lawton treibt sich in Peru herum und mit Buck Marshall, Range Detective ermittelt als Cowboy im Wilden Westen. Als Ausgleich für diese drögen Titel sind andere umso bunter, im Cartoon-Stil gehalten und auf Gags aus.
Nach dem Erfolg von Superman in Action Comics #1 (1938) wurde für Detective Comics der Crimson Avenger von Jim Chambers geschaffen (#20). DCs erster maskierter Held mit Hut, Umhang und Pistolen war zum einen The Shadow, zum anderen Green Hornet nachempfunden – um nicht zu sagen: dreist geklaut. Die Resonanz hielt sich in Grenzen, der Crimson Avenger zierte nur einmal (#22) ein Cover (allerdings hielt er – ab #44 mit neuem Kostüm – bis Ausgabe #89 durch). Daraufhin wurde Bob Kane mit einem neuen Versuch beauftragt, einen weiteren Superhelden zu schaffen. Der hatte dann die Idee mit Batman, Autor Bill Finger trug das Entscheidende bei, und Detective Comics wurde zum Verkaufshit.
Bis Batman kam, waren „Spy“ und Slam Bradley die beliebstesten Helden der Serie. Jerry Siegel und Joe Shuster arbeiteten auch nach dem Erfolg von Superman weiter an beiden, an Bradley sogar bis 1949. Damit war er die Figur, die sie am längsten für DC betreuten. „Slam Bradley war mein Probelauf für Superman“, sagte Siegel. Der Sidekick Shorty wurde zur Inspiration für den Kobold Mr. Mxyzptlk (Superman #30, 1944). In den 80ern kehrte Bradley zurück (Detective Comics #500), Anfang der Nuller-Jahre verliebte er sich in Catwoman, mit der er einige Abenteuer erlebte. Heute ist er Teil der Mainstream-Continuity.
Begleitgeschichten und Anthologien
Auch wenn Detective Comics mit Heft #27 zur ersten Batman-Serie wurde, behielt sie lange ihren Anthologiecharakter bei. Geschichten mit Helden wie Air Wave, Boy Commandos, Roy Raymond, Pow-Wow Smith und Martian Manhunter kamen hinzu. Allerdings schrumpfte der Anteil der anderen Geschichten mit der Zeit, bis nur noch eine Back-up-Story übrig blieb, etwa mit Elongated Man, Batgirl und Green Arrow. Erst 1986 endete die Tradition der Back-up-Stories, seit #568 füllt Batman das ganze Heft. Später wurde das Konzept der Zweitgeschichte zeitweilig erneuert.
Allerdings verlor Detective Comics in seiner langen Geschichte immer öfter den Bezug zum Titel – viele Batman-Abenteuer haben mit Detektivarbeit leider wenig zu tun. Zur Jubiläumsausgabe #500 (1981) besann man sich wieder auf die Wurzeln zurück, in #572 tauchte sogar Meisterdetektiv Sherlock Holmes persönlich auf, in #627 wurde die erste Batman-Story geehrt, nach einem Neustart erschien ein neues Detective Comics #27 (2014) und das geriet wieder zur Anthologie mit lauter neuen Geschichten, ebenso Heft #1000 (2019) und #1027 (was als der 1000. Auftritt von Batman in der Serie vermarktet wurde).
>> Detective Comics #1 wurde bisher nur einmal nachgedruckt, in der Millennium Edition 2001.

Unterstütze das Batman-Projekt
Dieses werbefreie Blog ist für dich kostenlos - doch leider nicht für mich. Wenn du gut findest, was ich hier mache, würde ich mich über eine Hilfe freuen, um die Kosten für diese Seite zu decken. Vielen Dank.
€1,00
Danke für den Beitrag Lukas, sehr spannend!
Mit „Detective Comics“ in der Zeit vor Batman habe ich tatsächlich nicht viel am Hut, aber ich wusste z.B. auch gar nicht, dass „DC“ erst seit der #568 Batman alleine gehört und die Serie bis dato tatsächlich noch immer eine back up story mit einer anderen Figur enthielt. Krass!
Leider ist es nur all zu wahr, dass die Geschichten aus „Detective Comics“ ihrem Namen icht gerade alle Ehre machen. Wie kann das eigentlich sein, frage ich mich da? Immerhin ist Batman ja der „world’s greatest detective“ und da sollte man doch meinen, dass man sich zumindest hin und wieder einmal auf die Ursprünge und die Essenz dieser großartigen Figur zurückbesinnen könnte.
LikeGefällt 1 Person