Das Jüdische bei Batman

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Batman, Robin und Superman gegen Hitler und Co: Batman #18 und World’s Finest #9 (DC Comics)

Letztes Mal habe ich ausgeführt, inwiefern Superman, als Erfindung von zwei Juden, selbst unterschwellig Merkmale jüdischer Kultur in sich trägt. Im Laufe der Zeit wurden die jedoch zunehmend weißgewaschen, d.h. christianisiert. Doch was ist mit Batman? Auch er wurde von zwei Juden erfunden (Bob Kane und Bill Finger). Inwiefern findet sich also das Jüdische auch bei ihm?

Harry Brods Befund (in seinem Buch Superman is Jewish?) ist klar: gar nicht. In jüdischer Ikonographie wäre Bruce Wayne ein Schurke. Während Clark Kent ehrlich für sein Geld arbeitet (als Journalist), ist der reiche Playboy der typische WASP (White Anglo-Saxon Protestant), der Albtraum jüdischer Eltern der absoluten Assimilation.

In seiner Anfangszeit setzt sich Superman für die Hilflosen und Unterdrückten ein: Er rettet einen unschuldigen Mann vor einem Lynchmob, findet den echten Mörder, rettet eine Frau vor ihrem gewalttätigen Mann, deckt Korruption auf, geht gegen Ausbeutung vor usw. Batman hingegen kämpft gegen normale Ganoven und andere kostümierte Schurken wie den Joker. (Wie andere auch sagen: Er bestraft Abweichler von der Norm.) Während Superman Menschen oder sogar die Menschheit rettet, rettet Batman eher Luxusbesitz wie Juwelen der Elite, zu der auch Bruce Wayne gehört.

Superman und Batman sind daher von Anfang an Antipoden: Hier der Himmelsgott in leuchtenden Primärfarben, da der düstere Rächer der Nacht. Es macht mehr Sinn, dass sie gegeneinander kämpfen, als dass sie Freunde sind.

Bruce wird als Batman zum Außenseiter

Doch so eindeutig ist der Befund meiner Meinung nach nicht. Einerseits ist Bruce Wayne reich geboren, andererseits ist er aber mehr als Superman ein Selfmade-Man. Supermans Fähigkeiten sind angeboren, Batman musste sie sich antrainieren. Jetzt kann man mit Batfleck zwar argumentieren, Batmans Superkraft sei sein Reichtum, aber seine Ausbildung zum Athleten, Wissenschaftler und Detektiv hat er sich nicht erkauft, sondern sich selbst angeeignet.

Als Batman ist er ein Outlaw. Anfangs von der Polizei verfolgt, zwischendurch (im Golden und Silver Age) zwar als eine Art Hilfspolizist akzeptiert, aber in moderner Zeit nur noch von der Polizei geduldet. Bruce Wayne mag Establishment sein, als Batman begibt er sich aber bewusst in die Rolle des gesellschaftlichen Außenseiters. Das ist das Opfer, das er bringt, um das Verbrechen zu bekämpfen.

Damit geht Batman den umgekehrten Weg, den Superman geht: Superman tut nur so, als wäre er ein Mensch, um sich anzupassen. Er mimt Clark Kent, während Bruce Wayne sich zu Batman macht. Doch auch Bruce Wayne wird von Anfang an mehr als eine Rolle dargestellt, die gespielt wird, um Batman sein zu können. Die Grenzen verwischen zwar für lange Zeit, weil sich Batman und Bruce einander angleichen, indem sie beide heiter erscheinen, aber spätestens im Bronze Age wird klar getrennt: Da der Playboy, hier der grimmige Rächer. In der Zeichentrickserie Batman Beyond gibt es eine Episode, in der Bruce Wayne offenbart, dass er sich selbst nur mit Batman anspricht („Spellbound“). Einen Bruce gibt es nur als Fassade. Er ist mit seinen Eltern als Kind gestorben.

Ich denke, diese Leidensgeschichte darf man nicht überlesen bei der Frage nach dem jüdischen Erbe von Batman. Der Verlust der Eltern kann nicht durch seinen monetären Reichtum kompensiert werden. (Und hier irrt meiner Ansicht nach auch der Riddler im Film The Batman.) Die Eltern wurden zwar nicht in einem Pogrom ermordet, dafür aber genauso sinnlos – aus Gier. Und gegen diese kriminelle Energie der Gier richtet sich Batmans Kampf. Superman hingegen hat seine wahren Eltern (ursprünglich) nie gekannt.

Weder jüdischer noch christlicher Held

Macht das allein Batman zu einer jüdischen Figur? Wahrscheinlich nicht. Zwar wurde Batman in der Moderne (im Gegensatz zur Christianisierung Supermans) zu seinen Ursprüngen zurückgeführt, doch da bleibt immer noch das Problem, dass Batman ein Held ist, der aussieht wie ein Schurke.

Detective Comics #31

DC Comics

Die Fledermaus gilt im Alten Testament als unreines Tier. Sie darf von Juden nicht gegessen werden, denn sie ist – neben anderen Vögeln – ein „Gräuel“ (Lutherbibel) bzw.“abscheulich“ (Einheitsübersetzung, 3. Mose 11,19 bzw. 5. Mose 4,18). Die Nähe der Fledermaus zu Vampirismus (Bela Lugosis Dracula war eine wesentliche Inspirationsquelle) ist eine, die Juden vehement ablehnen und eher mit dem antisemitischen Mythos der Blutsauger assoziiert wird. Aber auch als christliche Figur taugt Batman nicht, denn er sieht mit seinen spitzen Ohren oft aus wie ein Dämon oder Teufel. Allerdings wird er mit dem Titel „Caped Crusader“ christlich umgedeutet – als Kreuzritter. Eine zweifelhafte Zuschreibung, die eine eigene Untersuchung wert wäre.

Selbst als Vigilant taugt Batman nicht als jüdische Figur: Auch wenn das Motiv des jüdischen Rächers im Mainstream ankommt (zu sehen etwa in Filmen wie München und Inglorious Basterds oder der Serie Hunters), fügt sich Batman nicht in diese Reihe, da er die Todesstrafe ablehnt. Statt „Auge um Auge“ tendiert er eher zu christlicher Ethik, sich nicht auf das Niveau des Bösen herabzulassen – auch wenn Batman nicht gerade dafür bekannt ist, die andere Wange hinzuhalten.

Batman als Jude und Antifaschist

Dennoch wurde in den Comics auch versucht, Batman zu einer jüdischen Figur zu machen – oder zumindest wieder in die Nähe von Juden zu rücken. In der Elseworlds-Story The Berlin Batman (The Batman Chronicles #11, 1998) ist er als Baruch Wane selbst ein jüdischer Künstler in Nazi-Deutschland und wird zu Batman, um sich gegen die Unterdrücker zu wehren.

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The Berlin Batman: The Batman Chronicles #11 (DC Comics)

Die Geschichte orientiert sich an Batmans frühesten Abenteuern (Detective Comics #27) und seinem ersten Origin (Detective Comics #33), deutet ihn aber um als Reaktion auf ein Pogrom: Baruchs Eltern werden von einem wütenden Mob von Judenhassern totgetreten, daraufhin leistet er einen Schwur, gegen Verbrecher zu kämpfen. Während sein Vater ihm gesagt hat, man könne in dieser Welt nur Herr oder Sklave sein, will Baruch „etwas Drittes“ sein. Und so führt er als Künstler eine doppelte Tarn-Existenz. Offenbar weiß niemand, dass er Jude ist, Hitler will sich sogar von ihm porträtieren lassen.

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Pogrom statt Raubmord: Batmans Origin jüdisch umgedeutet. (DC Comics)

Als Batman versucht er, den konfizierten Besitz des jüdischen Ökonomen Ludwig von Mises von den Nazis zurückzuholen. Er kämpft für die Meinungsfreiheit. Ohne zu planen, geht er mit Gewalt auf die Männer los, will sogar einen Zug mit bloßen Händen aufhalten. Nachdem er scheitert, jagt er zumindest die Gleise in die Luft.

Golem und Ragman

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In den Comics kommt das Thema Judentum sonst zwar nicht häufig, aber immer wieder vor, etwa wenn sich Batman gegen Faschismus und Antisemitismus einsetzt. In den 40ern kämpft Batman immer wieder gegen Nazi-Spione (z.B. in Batman #14, 1942), später auch gegen Alt- und Neonazis. Das ist eher patriotisch motiviert, mit der Nazi-Ideologie oder Rassismus setzen sich diese Geschichten kaum auseinander.

Das ändert sich in der Moderne: 1991 trifft Batman auf den Golem of Gotham (Detective Comics #631-632). Ein alter Rabbi, der einst die Nazi-Deutschland überlebt hat, erschafft einen Golem, der ihn und andere Juden vor Neonazis beschützen soll, die gerade in Gotham wüten. Der Golem gerät aber außer Kontrolle.

Batman versucht, ihn aufzuhalten, indem er dem Golem das e aus dem Wort „emeth“ von der Stirn wischt („meth“ = Tod), doch das vermag nur der Schöpfer. Der Rabbi allerdings weigert sich. Also zwingt ihn Batman dazu, indem er ihm droht: „Do it or I’ll show you pain you haven’t dreamed of …“ Das zu einem Holocaust-Überlebenden zu sagen, der von Nazis gefoltert wurde, ist nicht gerade pietätvoll.

(Aber auch Autor Peter Milligan ist bei aller guten Absicht mit dieser Geschichte nachlässig: Er schreibt „Kristallnacht“ falsch und datiert sie auch einmal falsch auf 1937 statt 1938.)

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DC Comics

Das Konzept des Golems kehrt bei Batman immer wieder auf. Im gleichen Jahr, in dem The Berlin Batman erscheint, trifft der Dunkle Ritter auf Ragman (Rory Regan), einen jüdischen Superhelden, der als eine Art Golem-Nachfolger gegen das Böse kämpft. Übernatürliche Kräfte verleiht ihm ein Umhang aus Lumpen, die die Seelen der Bösen in sich tragen. In der Geschichte (Batman #551-552, 1998) macht sich der Umhang selbständig und hat es auf Neonazis abgesehen, die Anschläge auf Juden in Gotham verüben. Rory Regan muss lernen, die Lumpen zu kontrollieren, indem er seinen Hass gegen das Böse mit einer größeren Liebe zu Gott ausgleicht.

Batwoman als Jüdin

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Kate Kane und die Chanukkia. (DC Comics)

Nachdem Batman in der Final Crisis scheinbar getötet worden ist, tritt vorübergehend Batwoman 2009 seine Nachfolge an (Batwoman Elegy). Kate Kane ist die Cousine von Bruce Wayne und nicht nur lesbisch, sondern auch Jüdin. Das wird bereits 2006 in DCU Infinite Holiday Special eingeführt: Kate feiert Chanukka mit ihrem Vater und besorgt eine für eine alte Buchhändlerin und Holocaust-Überlebende eine Chanukkia (einen neunarmigen Leuchter), der ebenfalls die Shoah überstanden hat.

Ein weiteres Lichterfest feiert Kate in DC Rebirth Holiday Special (2017). Die Kurzgeschichte endet, als sie gerade ansetzt, die Legende von dem Chanukka-Wunder zu erzählen. Damit gibt es in Bruce Waynes Familie zumindest eine Jüdin – während er selbst Weihnachten feiert.

>> Literatur: Harry Brod: Superman Is Jewish? How Comic Book Superheroes Came to Serve Truth, Justice, and the Jewish-American Way, Free Press (Simon & Shuster) 2012 (Paperback 2016).


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2 Kommentare

  1. „The Berlin Batman“? Ich lerne wirklich immer wieder etwas neues hier beim Batman Projekt. Danke für den Artikel Lukas. Ich persönlich brauche keinerlei Verbindung Batmans zum Judentum. Ich finde, man muss es nicht immer mit der Brechstange allem und jedem recht machen. Auch den Juden nicht. Kann ich nicht verstehen, warum man da ums Verrecken eine Parallele meint herstellen zu müssen. Die jüdischen Schöpfer Kane und Finger selbst hielten dies damals offenbar nicht für nötig oder angebracht, das zu tun. Warum man das dann Jahrzehnte später erzwingen will, kann ich nicht nachvollziehen. Ebenso wenig wie ich übrigens den scheinbar unsterblichen Antisemitismus nachvollziehen kann. Es ist mir schlicht schleierhaft, warum man einen Menschen hasst, nur weil er jüdischen Glaubens ist, doch das nur nebenbei.
    Tatsächlich habe ich mich allerdings schon seit jeher gefragt, wer auf die Bezeichnung „Caped Crusader“ gekommen ist. Macht für mich ebenso wenig Sinn, und eine Verbindung Batmans zum Christentum brauche ich ebenso wenig, da mache ich keinen Unterschied 😉

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