The Killing Joke: Seiten 12-14 – Attentat auf Gordons

Jokers Attentat auf Barbara Gordon. (DC Comics)

Commissioner James Gordon sitzt bei seiner Tochter Barbara (Batgirl) auf dem Sofa und schneidet Zeitungsartikel aus, der von dem jüngsten Ausbruch des Jokers handelt. Vicki Vale hat den Artikel geschrieben. Batman wolle keinen Kommentar abgeben, heißt es, auf einem Foto hält er die Hand vor die Kamera, damit er nicht abgelichtet wird – damit weist er bereits voraus auf den Fotografen, der gleich ins Leben der Gordons eindringt.

James Gordon regt sich darüber auf, dass er untätig warten muss, bis der Joker wieder zuschlägt, Barbara sagt, er solle sich entspannen. Gordon klebt den Zeitungsartikel in ein Buch mit weiteren Ausschnitten über Batman und den Joker, nostalgisch blättert er zurück zu dem Bericht über ihr erstes Aufeinandertreffen. „Bat-garbed vigilante critically injures murderer“, lautet die Schlagzeile. „Disfigured homicidal maniac in hospital.“ Es kann sich aber nicht um die hier nacherzählte Origin-Story handeln, da der Joker am Ende seiner Entstehung entkommt, sondern eher um die Begegnung aus Batman #1, der Premiere des Jokers.

DC Comics

Das Bild zeigt allerdings das Cover von Detective Comics #27, Batmans Premiere. Er hält einen unbekannten Mann im Schwitzkasten, während er sich mit dem anderen Arm von einem Gebäude zum anderen schwingt. Hier weicht Bolland von Moores Skript ab, der sich ein Zitat des letzten Panels aus Batmans erster Origin-Story gewünscht hat.

„I shall become a bat!“ Batmans erster Origin von 1939. (DC Comics)

Nebenbei erfahren wir, dass Gordon seiner Tochter von dem Fall erzählt hat und dass seine Beschreibung des Jokers mit seinem weißen Gesicht und dem grünen Haar sie verängstigt hat, sodass sie Albträume hatte. Barbara lächelt – noch.

Die Sequenz ist in einem Sechserraster angeordnet, wie schon die Rückblende und die letzte Seite auf dem Jahrmarkt (Seiten 6-9). Es zeugt von Ruhe und Normalität, bis diese dann auf der nächsten Seite durchbrochen wird. Der Joker schlägt unerwartet zu.

Blut, Kakao und Scherben

Auf Seite 13 passiert die Schlüsselszene: Barbara öffnet die Tür, der Joker erscheint mit zwei Handlangern, schießt ihr in den Bauch und sie fällt nach hinten, sodass der Glastisch zerbricht, auf dem ihr Vater das Buch liegen hat. Es gibt mehrere Seiten in The Killing Joke ohne Dialog, doch dies ist die einzige, die ganz ohne Text auskommt. Nicht einmal ein Soundword fällt beim Abschuss der Waffe oder als Barbara in den Glastisch stürzt.

Schlüsselszene neu koloriert von Brian Bolland. (DC Comics)

Der Joker trägt einen Hut und ein Hawaiihemd mit umgehängter Kamera, wie ein Tourist. Im Gegensatz dazu steht sein starrer Blick, seine Augen sind im Schatten auf zwei weiße Punkte reduziert, sein Grinsen wirkt diabolisch, während er die Waffe hochhält. Mit der Kamera und dem Doppellauf des Revolvers sind sogar drei Läufe auf Barbara gerichtet. Ihre Augen hinter der Brille spiegeln die zwei Läufe der Waffe.

Der Schuss lässt gleichzeitig Blut und Kakao spritzen, Barbara verliert ihre Brille, als sie nach hinten geschleudert wird. Ihr Vater, der immer noch die Schere in der Hand hält, schaut bloß fassungslos zu, während sie in den Glastisch kracht und weiter Blut und Kakao verspritzt und schließlich mit schmerzverzerrtem Gesicht vor ihm in den Scherben liegt.

Es ist eine dramatische Szene, die mit dem größten Effekt inszeniert wird. (In der Urfassung ist sie in Rot- und Orangetöne getaucht.) Sie kommt plötzlich, ohne Ankündigung, Drohung oder Erklärung. Sie ist reine Gewalt, gebettet in reinen Sadismus von einem Joker, der sich extra für diesen Anlass umgezogen hat, dessen Kleidung aber unangemessen ist. Er wirkt wie ein Urlauber. Der Anschlag ist keine Arbeit oder lästige Pflicht für ihn, er macht ihm Spaß.

Barbara Gordon als Mängelexemplar

Sein Humor ist von der schwärzesten Sorte, wie auf Seite 14 deutlich wird, es folgt eine Reihe zynischer Kalauer: „Please don’t worry. It’s a psychological complaint, common amongst ex-librarians. You see, she thinks she’s a coffee table edition … Mind you, I can’t say much for the volume’s condition. I mean, there’s a hole in the jacket and the spine appears to be damaged.“

Der Joker weiß bereits, dass er Barbaras Wirbelsäule getroffen hat und sie wahrscheinlich nie mehr wird laufen können. Er hat den Schuss mit Präzision abgefeuert. Er wollte sie nicht töten, sondern ihr Rückgrat brechen. „That’s always a problem with softbacks“, sagt er hämisch, die Buch-Allegorie fortsetzend. Barabara wird behandelt als Mängelexemplar.

Gordon will mit der Schere auf den Joker losgehen, scheitert aber, als er von einem der Handlanger geschlagen wird. Die Sequenz spiegelt die vorherige Seite: Wie seine Tochter wird Gordon in den Bauch getroffen, ebenfalls im dritten Panel der Seite, er verliert dabei, ebenfalls wie Barbara, seine Brille. Ohnehin spielt Glas hier eine große Rolle und deutet irreparable Schäden an. Die Handlanger tragen Gordon weg. Der Joker verspricht, Fotos von Barbara zu machen, als Erinnerungsstücke für ihren Vater. Sie könne leider nicht mitkommen, weil das Ziel nicht behindertengerecht sei.

Das Cover schließt die Lücke

Barbara fragt nach dem Grund. „To prove a point“, sagt der Joker, hebt das Glas und ergreift ihre Bluse. „Here’s to crime.“ Unter dem Hut leuchtet nur noch ein weißes Auge. („Christ, he look evil“, schreibt Moore.) Was es damit auf sich hat, erfährt man erst später. Auch die Fotos, die der Joker macht, sind erst dann zu sehen. Wie er fotografiert, sieht man nicht, nur auf dem Cover, wobei er da andere Kleidung trägt, sodass wir eigentlich eine ganz andere Szene sehen, aber dann doch eine, die ähnlich genug ist, um diese Lücke zu schließen.

Wie schon erwähnt, treten wir als Leser damit an die Stelle von Barbara Gordon. Der Joker fotografiert uns durch seine lachende Linse. Er dringt damit auch in unsere Privatsphäre ein. Und er überschreitet auch eine Grenze als Joker: Er ist hier nicht mehr der Clown als Kinderschreck, über den man sich später Geschichten erzählt und diese dann als Andenken in einem Album sammelt, er ist der wahrgewordene Alptraum, der Leben zerstören will und eine Familie traumatisiert.

Obwohl The Killing Joke in einer eigenen Welt spielt und damit für sich steht, hat diese Sequenz Folgen für die spätere DC-Continuity: Barbara Gordon ist von da an nicht mehr Batgirl (die sie seit 1967, Detective Comics #359, war), sondern Oracle, eine Hackerin und Informantin für diverse Superhelden, darunter zuerst für die Suicide Squad und später dauerhaft Batman, noch später wird sie Mitglied der Birds of Prey, während andere ihre Rolle als Batgirl übernehmen. Wie Barbara Oracle wurde, wird nachgereicht in Oracle: Year One: Born of Hope (Batman Chronicles #5, 1996).

>> The Killing Joke


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5 Kommentare

  1. Ich finde immer noch, dies ist eine der skrupellosesten Gewalttaten, die ich je in einem Comic gesehen habe. Und dann noch die Tatsache, dass er sie auszieht und fotografiert ist so sadistisch und pervers, dass es einem beim lesen eiskalt den Rücken herunter läuft. Immer wieder beeindruckend zu sehen, wieviel Intensität hier rübergebracht wird, ohne auch nur ein einziges Wort. Wahnsinn. Ich muss übrigens sagen, so sehr mir die neue Colorierung von Bolland auch gefällt, ich mag die ursprüngliche Fassung lieber. Interessant finde ich aber in jedem Fall, dass das gelbe Oval um das Bat Symbol auf Batmans Brust in der neuen Fassung vollständig zu fehlen scheint. Das macht die überarbeitete Fassung wiederum sehr sympathisch. Ich habe mich stets gefragt, wieso jemand, der mit den Schatten verschmelzen will, eine gelb leuchtende Zeilscheibe mitten auf der Brust trägt 😉

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