The Killing Joke: Seiten 26-28 – Batmans Ermittlung/Joker und Gordon

Gordon leidet, Batman ermittelt. (DC Comics)

Auf die Fratze des Jokers folgt die grinsende Fratze auf einer Doppeltür, durch die Gordon fährt. Es folgen noch sechs weitere: eine Art Teufels- oder Dämonsfigur, ein Leopard und dann weitere raubtierhafte bis monströse Gestalten mit Reißzähnen und bösen Blicken. Gordon dringt in der Geisterbahn in immer neue Räume ein, ohne dass wir sehen, was er zu sehen bekommt. Nur eins dürfte klar sein: Nachdem er im nackten Zustand Bilder seiner nackten, verletzten Tochter gezeigt bekam und damit Inzest angedeutet wurde, erscheint das siebenmalige Eindringen in die Doppeltüren (jedesmal auch mit dem Geräusch „bdump“ verdeutlicht) wie ein forcierter Geschlechtakt.

Statt noch mehr mit dem Horror, den Gordon durchmacht, konfrontiert zu werden, sehen wir parallel dazu, wie Batman ermittelt. Jede geöffnete Tür leitet eine neue Station ein: Batman reißt ein Fahndungsplakat, das den Joker zeigt, von einer Wand ab und präsentiert es möglichen Zeugen und Informanten. Aus Storysicht macht das Zeigen des Plakats keinen Sinn, denn der Joker dürfte stadtweit bekannt sein, aber es folgt der Logik einer sprachlosen Bilderzählung. Dadurch wissen wir, was Batman da tut, ohne dass es ausgesprochen werden muss. Die Befragten scheinen selbst sprachlos zu sein, sie wissen anscheinend auch nicht weiter. Batman nutzt Gewalt und Einschüchterung, er sucht einen Gangsterboss und den Pinguin auf, schließlich befragt er Prostituierte – alles ohne Ergebnis, während Gordon weiter leidet. Der Detektiv Batman ist ratlos, er versagt.

Schließlich kommt der entscheidende Hinweis von selbst: Ein Batsignal führt ihn zum Dach des Polizeipräsidiums, wo Bullock ihm einen an Batman adressierten Umschlag überreicht. Darin eine Grußkarte des Jokers („With compliment“) und eine Eintrittskarte zum „Bonus Brothers Carnival and Amusement Park„. Batman betrachtet die Karten grimmig, mit einem tiefen Schatten über dem Gesicht, und springt vom Dach. Die Joker-Karte lässt er (anders als die Spielkarte vom Anfang) zurück bei Bullock, der ihm nachsieht, wie er sich in den Abgrund der Häuserschluchten stürzt (und davonschwingt).

Realität als Droge: Joker und Gordon. (DC Comics)

Der „Amusement Park“ dient nur dem Joker und seinen Freaks als Unterhaltung: Gordon ist schwer gezeichnet von der Fahrt, er krümmt sich, während er sich an der Stange des Wagens festhält. Der Joker witzelt, Gordon sei dadurch stark gealtert, eben habe er noch wie 17 ausgesehen. „That’s what a dose of reality does for you … Never touch the stuff myself, you understand. Find it gets in the way of the hallucinations.“ Die Realität gilt als Droge, die es zu vermeiden gilt. Der Joker hält es lieber mit den Einbildungen und Trugbildern.

Jokers Antitherapie

Warum, wird sofort klar: Der Joker muss sich der Realität stellen, dass seine Anti-Therapie, Gordon in den Wahnsinn zu treiben, nicht den gewünschten Effekt gebracht hat. Gordon ist apathisch. Der Joker lässt ihn in einen Käfig einsperren, wo dieser Gelegenheit bekommen soll, über seine Situation nachzudenken – „to reflect upon life, and all its random injustice“.

Wir sehen den Joker in einer Pfütze gespiegelt, in die der Regen tropft – wie ganz zu Beginn im ersten Panel auf Seite eins. Diesmal bildet sein Stock die Kräuselungen in der Mitte, gleichzeitig geht der Stock von seinem Schritt aus – sicher auch kein Zufall, wenn man bedenkt, was er Barbara angetan hat. Einst von seiner Frau dafür gelobt, gut im Bett zu sein, ist auch sein Verhältnis zu den Gordons stark sexuell aufgeladen.

Nihilismus und Umwertung aller Werte

Ich überspringe die vierte Rückblende (davon nächstes Mal mehr), um auf Seite 33 zu sprechen zu kommen, die die Handlung mit Joker und Gordon abschließt. Wir befinden uns mit Gordon im Käfig und sehen die Freaks über ihn lachen – und damit das Gelächter des Jokers aus der Rückblende fortsetzen. Hier verkehrt sich die übliche Ordnung.

Der Joker stellt in seine Ansprache Gordon selbst als Freak dar, als „average man“, der zwar von außen makellos erscheint, aber deformierte Wertvorstellungen in sich trägt: „Notice the hideously bloated sense of humanity’s importance. The clubfooted social conscience and the withered optimism. Most repulsive of all, are its frail and useless notions of order and sanity.“ Diese Vorstellungen sind schwach, denn bei zu großer Belastung brechen sie.

In einer irrationalen Welt könne so ein armseliges Exemplar nur schwer überleben. Konfrontiert mit der Tatsache, dass die menschliche Existenz verrückt, zufällig und sinnlos sei, drehe einer von acht durch. In einer verrückten Welt wie dieser wäre auch alles andere verrückt.

Der Joker erscheint als Nihilist, der jede Norm ablehnt, ja sogar die Idee einer Norm für verrückt erklärt, während das Verrückte die Norm sei. Ein Widerspruch in sich, aber er folgt einer verdrehten Logik – das ist die Joker-Variante von Nietzsches „Umwertung aller Werte„.

Während der letzten drei Panels sieht man im Hintergrund, wie sich zwei Lichtpunkte nähern, die Scheinwerfer von Batmans Batmobil (wie auf Seite 1, die Geschichte wiederholt sich, wie so vieles in diesem Comic, womit eine Art von Nietzsches „Ewiger Wiederkehr“ angedeutet ist). Batmans Ankunft ist doppeldeutig: Einerseits scheint damit das Licht der Rationalität in die Dunkelheit einzubrechen, andererseits auch gerade eine weitere Dimension des Irrsinns, von dem der Joker gerade spricht. Denn auch Batman ist, wie wir wissen, das Resultat eines schlechten Tages. Seine Theatralik eine Antwort auf das Hereinbrechen von sinnloser Gewalt – und sicher auf seine Weise „verrückt“.

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3 Kommentare

  1. Sehr interessant und aufschlussreich, Lukas. Die Verbindung mit Nietzsches „Umwertung aller Werte“ impliziert schlussendlich ja, dass sich der Joker für den „Übermenschen“ hält, da könnte ich sicherlich stundelang mit dir drüber diskutieren. 🙂

    Die sexuelle Verbindung zwischen Joker und insbesondere Barbara sehe ich natürlich, trotzdem verstehe ich diese „Inzest“ Geschichte immer noch nicht so ganz. Was genau will man damit andeuten, etwa, dass Babs daheim ein besonders „enges“ Verhältnis zu ihrem Vater hatte??? Erleuchte mich diesbezüglich doch bitte mal bei Gelegenheit, Lukas 😉

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