The Killing Joke: Seiten 1-5 – Batman in Arkham

The Killing Joke, Seite 1: Schwarzweiß, alte und neue Kolorierung. (DC Comics)

The Killing Joke beginnt mit einer Ankunft. Batman kommt in der Nervenheilanstalt Arkham Asylum an und trifft den (falschen) Joker. So geht es auch uns: Wir kommen mit ihm an. Doch wir sind schon etwas vor ihm da, wir warten bereits auf ihn – wie Commissioner James Gordon und der Polizist, der am Eingang bei ihm steht.

Die Seite ist eingeteilt in ein klassisches Neuner-Raster. Das haben auch Will Eisner in The Spirit (vor allem am Anfang) und Steve Ditko (Spider-Man, Doctor Strange) oft benutzt. Moore verwendete es ebenfalls in Watchmen, wo es ähnlich mit einem kreisförmigen Detail auf der Straße beginnt und dann allmählich hinauszoomt (der Smiley-Button des Comedian). Hier spiegelt die strenge Gitterstruktur die Gitterstäbe in und um Arkham. Gleichzeitig stehen die drei Dreierreihen für die drei Männer, um die es hier geht: Batman, Joker, Gordon. Die symmetrische Ordnung steht allerdings im Widerspruch zum weiteren Verlauf der Geschichte. Der Joker bricht sie auf.

Das Erste, was wir sehen, ist Regen, der in eine Pfütze fällt. (In der Erstauflage ist das Bild sogar seitenfüllend zu sehen, noch bevor der eigentliche Comic beginnt, ähnlich wie die Cover bei Watchmen.) Konzentrische Kreise überlagern einander, unterbrochen von den Schrägstrichen, die den Regen andeuten, sowie die Einschläge der einzelnen Tropfen und die Kräuselungen, die von ihnen ausgehen. Symbolisch deutet es voraus auf die Verwerfungen, der sich kreuzenden Lebenswege, aber auch auf die Joker-These, dass ein schlechter Tag ein Leben aus der Bahn werfen kann.

Durch diese Nahaufnahme sehen wir nicht, wo wir sind. Wir erfahren es erst nach und nach. Hier wird Spannung aufgebaut, indem Informationen erst langsam, geradezu tropfenweise geliefert werden. Erst das zweite Bild deutet eine Mauer an, wir sehen drei Blätter fallen, es könnte Herbst sein (laut Moores Skript November). Zwei Lichtstrahlen fallen auf die Pfütze. Im dritten Panel wird klar, woher das Licht kommt: Von den Scheinwerfern des Batmobils, das aus der Ferne angefahren kommt. Nun sehen wir, dass die Mauer Teil eines Zauns ist.

Das Batmobil ist ein Anachronismus für das Jahr 1988: Es ist das klassische Modell von 1950, mit dem Fledermauskopf als Kühlerfigur. Deutlich zu sehen ist es im vierten Panel, wenn wir von der Seite draufschauen und darüber das Schild „Arkham Asylum for the Criminally Insane“ lesen, das es aber (als „Arkham Hospital“) erst seit 1974 gibt.

Batman steigt aus, ohne dass wir sein Gesicht zu sehen bekommen. Auch hier folgen Details auf Details: Zuerst sein Arm mit dem Handschuh, dann seine Silhouette, die mit dem Zaun einen langen Schatten vorauswirft, dann sein Cape von hinten, nachdem er durchs Tor getreten ist. Wir drehen uns um Batman herum, nehmen Gordons Perspektive ein, der bereits am Eingang von Arkham steht, dann kehren wir wieder vors Tor zurück, dann sind wir wieder nah bei Gordon, wenn er aus seinem Kaffeebecher trinkt. Batman steht vor ihm, wir sehen nur die untere Hälfte seines grimmigen Gesichts. Der andere Polizist schaut erstaunt, während Batman an ihm vorbeizieht. Gordon reicht ihm den Kaffeebecher und lässt ihn draußen stehen. (Das Getränk weist voraus auf den späteren Anschlag auf Tochter Barbara auf Seite 13.)

Seite 2: Arkham Asylum

The Killing Joke: Seite 2 (DC Comics)

Auf der zweiten Seite befinden wir uns in der Anstalt. Eine Empfangsdame weist wortlos den Weg. Bis hierhin ist die Geschichte ohne Dialog und Geräusche ausgekommen. Die ersten Wörter, die fallen, sieht Schildern, wie dem auf dem Schreibtisch: „You don’t have to be crazy to work here – but it helps!“ Ein zynischer Spruch, der kaum jemals in einer psychiatrischen Anstalt zu lesen wäre. Die Selbstironie dient nur als comic relief in einer sonst sehr ernsthaften Szene.

Seltsamerweise hat die Empfangsdame, die eben noch Batman die Richtung gezeigt hat, im zweiten Panel bereits eine Zigarette in der Hand und die Schachtel in der anderen, aus der ihr Zigaretten hinausfallen. Sie muss also in dem Moment, als Batman an ihr vorbeigezogen ist, sofort dazu gegriffen haben. Das Hinausfallen der Zigarette aus der Schachtel deutet auf Nervosität hin. Sie schaut mit offenem Mund Batman und Gordon hinterher, der sich mit einem Tippen an den Hut bedankt, während Batman bereits auf den dunklen Korridor zuschreitet, in das Licht durch die Gitter fällt.

(In Moores Skript steht, die Empfangsdame hat Graham Greenes Roman The Comedians (dt. Die Stunde der Komödianten) auf dem Tisch liegen, was allerdings nicht von Comedians handelt.)

Im dritten Panel nehmen wir die Froschperspektive ein: Zwischen Batmans Beinen, der hier wieder nur als schwarze Silhouette erscheint, sehen wir Gordon gerahmt. Die Beine bilden zwei Gitter. Damit ist bereits auf die Zellengitter hingewiesen, die man im zweiten Panel sieht, auch hier ist Gordon (nun von der Seite) gerahmt, diesmal zwischen zwei Zellen. Er hält seinen Hut fest und macht einen großen Schritt, was darauf hindeutet, dass er schnell hinter Batman hergeht. Sein vorausgeworfener Schatten ist Batman bereits näher und verschmilzt mit dem Umhang.

Dann sehen wir den ersten Insassen: Harvey Dent (Two-Face), der sich an zwei Gitterstäben seiner Zellentür festhält. Der dritte Gitterstab trennt sein Gesicht in zwei Hälften. Dann wechselt wieder die Perspektive: Wir nehmen die Sicht von Harvey ein und sehen Batman und Gordon zwischen den Gitterstäben. Wer der Gefangene ist, scheint nur eine Frage der Perspektive zu sein – es deutet bereits auf Gordons spätere Gefangenschaft voraus. Interessant ist auch, dass Harveys Hand mit den langen Fingernägeln (Teil seiner entstellten, dunklen Seite), bei Batman liegt, während die andere bei Gordon ist. Beide erscheinen als zwei Seiten einer Medaille: eine wilde, animalische und eine vernünftige, menschliche.

(Anders als in Moores Skript fehlt hier eine Zelle für Edward Nigma alias Riddler.)

Nun machen wir einen Sprung voraus: Während wir uns Harvey mit den Figuren genähert haben, sind wir bei der nächsten Zellentür als erste da, zusammen mit einem Wachmann. „Name unknown 0801“ steht auf dem Schild. Hinter den drei Gittern ist statt eines Gesichts nur der Schein einer Lampe zu sehen, wie ein Heiligenschein, doch man erkennt nicht, über wem. Als nächstes leuchtet die Ellipse der Lampe über Batman und wirft einen Schatten auf den Boden, der seinem stilisierten Fledermaus-Symbol entspricht. Wir sehen die Ankunft aus der Perspektive des Wachmanns. Der grüßt freundlich mit einem Salut und öffnet die Tür, wir sehen es über Batmans Schulter, sodass er damit auch uns begrüßt.

Seite 3: In Jokers Zelle

Batman trifft den falschen Joker in Arkham. (DC Comics)

Batman tritt in die Zelle des Jokers. Erst auf dieser Seite (der dritten) wird das Neunerraster aufgebrochen. Nach drei weiteren Panels, die Batmans Annäherung zeigen (wieder nur als schwarze Silhouette, ohne Gesicht), erscheint das erste Splash Panel, das die ganze Zelle und seinen Insassen zeigt: den Joker am Tisch. Er legt eine Patience (frz. Geduld). Auch sein Gesicht ist nicht zu sehen, weil es im Schatten liegt, außerhalb des Scheins der Lampe. Stattdessen liegen neben ihm zwei Jokerkarten übereinander, die (laut Jerry Robinson) die Inspirationsquelle für die Figur des Jokers bilden.

Darüber stehen die Worte: „There were these two guys in a lunatic asylum …“ Wer spricht, ist zunächst unklar. Damit wird bereits der Anfang des Witzes vorweggenommen, den der Joker am Ende erzählt. Doch es bleibt nur bei diesem Anfang. Ohne Kontext erscheint der Satz redundant, denn er zeigt uns nur, was wir sehen. Zugleich ist „lunatic“ bereits das dritte Wort für „geisteskrank“, was vorher als „insane“ und „crazy“ bezeichnet wurde.

Seite 4: Batmans Ansprache

Batman zieht einen Stuhl heran und setzt sich dem Joker gegenüber an den Tisch. Ungewöhnlich für Batman beginnt er mit einer Begrüßung: „Hello. I came to talk.“ Der Joker antwortet nicht, sondern legt weiter seine Karten, in dem Fall einen Buben, den „Jack“ auf einen der vier aufgedeckten Stapel, neben ihm liegt die Joker-Karte.

Weiße Farbe an den Händen: Batman fällt auf den falschen Joker rein. (DC Comics)

Batman spielt das Spiel zwar nicht mit (er könnte es auch gar nicht, weil man Patiencen nur allein legen kann), aber dafür legt er im übertragenen Sinne die Karten auf den Tisch. In einer ungewohnt offenen Weise spricht er die Sorge aus, dass eines Tages einer von ihnen den anderen töten könnte. Er will wenigstens einmal versuchen, darüber zu sprechen, um das zu verhindern. Die Perspektive wechselt ständig zwischen Batman, Joker und auch Gordon, der durch das Gitter der Zellentür hindurch zuschaut. Im vierten Panel sieht man ihn gerahmt von Schwärze in einem kleinen Quadrat, das ihn als Gefangenen darstellt, während im Vordergrund nur Batmans und Jokers Hände mit den Karten zu sehen sind. (Für Moore nimmt das Bild symbolisch den Rest der Geschichte vorweg.)

Der Joker antwortet wieder nicht, Batman greift nach Jokers Hand. Er verstehe nicht, warum ihre Beziehung tödlich verlaufen sollte, er wolle seinen Mord nicht an seinen Händen haben. Da fällt Batman die weiße Farbe an seinem Handschuh auf, während sich der Joker ans Handgelenk greift. (Hier ergibt die Schwarz-Weiß-Fassung keinen Sinn, da man die weißen Spuren nur in den Farbversionen sieht.)

Seite 5: Die Offenbarung

The Killing Joke: Seite 5 (DC Comics)

Auf der nächsten Seite zieht Batman ihn ins Licht, fährt ihm mit der Hand durchs Gesicht, wischt weitere Schminke ab und erkennt, dass er hereingelegt wurde: Dieser Joker ist nur ein Nachahmer. Erst jetzt, in einem Panel, das sich über die gesamte Seitenbreite erstreckt, sieht man beide Gesichter zum ersten Mal im Licht, jedoch ist eines davon ein „falsches“. Der Joker spielte „mit falschen Karten“, indem er gar nicht im Raum war. Batmans Ansprache läuft ins Leere. Im Gegensatz zum Namen des Spiels Patience verliert er die Geduld und wird emotional, als er den Unbekannten nach dem Joker ausfragt.

Der Häftling schreit, Gordon befürchtet, dass dieser misshandelt wird und weist Batman zurecht. Batman dürfe ihm kein Haar krümmen. Da hält ihm Batman die Haare hin – eine grüne Perücke.

Im Nachhinein erscheint die ganze Szene seltsam: Warum ist Gordon überhaupt in Arkham, wenn es hier um kein Verbrechen geht, sondern Batman nur mit dem Joker reden will? Warum erkennt Batman den falschen Joker nicht am Gesicht, sondern erst durch die abfärbende Schminke? Hat der Joker einen exakten Doppelgänger? Wir erfahren es nicht – und das bleibt das Unheimliche daran. Wie üblich bleibt der Joker (und auch seine ständige, unerklärte Flucht aus Arkham) ein Mysterium. In dieser Szene ist er sogar der doppelte Unbekannte: namenlos und nicht einmal persönlich anwesend. Trotzdem wirkt er hier stark und bringt Batman – in einem Moment der Schwäche und Blöße – aus der Fassung.

Damit wird nicht nur das Verhältnis zwischen den drei Figuren etabliert, sondern auch die folgende Geschichte vorweggenommen. Der Joker ist allen voraus, Batman hinkt hinterher, Gordon wird zum Opfer, zum Gefangenen in einem tödlichen Spiel zwischen zwei Verrückten.

>> The Killing Joke: Einführung, Cover


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5 Kommentare

  1. Wow, was für ein Einstieg! Ich stelle fest, ich muss diesen Comic unbedingt mal wieder verschlingen, das letzte Mal ist viel zu lange her.
    Diese Analyse, Panel für Panel und Seite für Seite, ist wirklich spannend. Da erschließen sich einem ganz neue Einzelheiten und Gedanken, Anspielungen und Verweise, die mir so bisher nie bewusst waren. Sehr interessant auch dein Fazit hier: „…Gordon wird zum Opfer, zum Gefangenen in einem tödlichen Spiel zwischen zwei Verrückten.“ – Da läuft es einem eiskalt den Rücken runter.

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