Im Jahr 1946 startete DC eine Serie mit dem Titel Real Fact Comics. Darin versuchte der Verlag, etwas für die Bildung seiner jungen Leser zu tun und stellte einige berühmte Persönlichkeiten vor, wie etwa den Entfesselungskünstler Harry Houdini und den Science-Fiction-Autor H.G. Wells, sowie Sportler und Wissenschaftler, erzählte aber auch andere „wahre Geschichten“.
In Ausgabe 5 (1946) brachte man auf fünf Seiten „The True Story of Batman and Robin“, in der erzählt wird, wie der Held entstanden sein soll. Gleich im ersten Panel sehen wir einen jungen Bob Kane am Schreibtisch sitzen, der selbstbewusst die Leser anschaut, Bob Kane allein wohlgemerkt – und das ist bereits die erste, aber bei weitem nicht die einzige Lüge.
Fast nichts entspricht hier der Wahrheit, allein die Ruhmeshymnen auf die Popularität der ersten Jahre dürften annähernd stimmen. Dann erzählt uns Bob, dass er schon als kleiner Junge Zeichner werden wollte und sein Essensgeld für Stifte gespart hat. In der Schule zeichnete er Poster für Sicherheitskampagnen, etwa um Bränden vorzubeugen. Wir sollen davon ausgehen, dass Bob schon immer ein guter, weil uneigennütziger Mensch gewesen ist. Und da Bob ein begeisterter Leser von Detektivstorys gewesen sei und sich von echten Polizisten inspirieren ließ, habe er sich eben Batman ausgedacht.
Seine Mutter nähte ein Batman-Kostüm, in das Bob einen Freund steigen ließ, um ihn Modell stehen zu lassen. (Warum Batman dann so unrealistisch gezeichnet ist, wird nicht klar.) Doch bei DC war man sofort von den Konzept begeistert. Dann entwarf Bob alles andere ebenfalls im Alleingang: Gotham City (sogar als Modell), das Batmobil, das Batplane, den Allzweckgürtel, die Batcave.
Kein Wort über Bill Finger und Jerry Robinson
In Wahrheit war Batman eine Auftragsarbeit für den Verlag, der an den Erfolg von Superman anknüpfen sollte. Vor allem aber findet sich kein Wort von dem wahren Autor und Urheber dieser Dinge, Bill Finger, und es fehlt auch, dass all das erst nach und nach kam und sich im Laufe der Zeit stark veränderte. Das Batmobil hieß anfangs noch nicht so und hatte auch keinen optischen Bezug zu Fledermäusen.
Ein Fanbrief soll Bob dann dazu inspiriert haben, sich Robin auszudenken, damit Batman einen Partner habe. Ein Besuch mit einem Freund in einem Scherzartikelladen brachte Bob auf die Idee mit dem Joker. Eine Begegnung mit einem Mann, der bei Sonnenschein einen Schirm trug, ließ daraus den Pinguin entstehen.
Hier wieder: Kein Wort von Bill Finger und Jerry Robinson, der die Ideen für Robin und den Joker hatte. Der Pinguin wurde in Wahrheit von einer Zigarettenwerbung (Kool) inspiriert.
Nach fünf Seiten endet diese Selbstbeweihräucherung abrupt mit dem Verweis auf Bobs „fame and fortune“. Batman dankt ihm dafür, ihn und Robin geschaffen zu haben.
Späte Anerkennung für die anderen Batman-Schöpfer
Nur an einer Stelle scheint in dieser dreisten Aneinanderreihung von Lügen ein Funke Wahrheit durch. Auf Seite 3 steht, Kane habe angeleitet von der Redaktion („under expert editorial guidance“) Batman seine dynamische Persönlichkeit verliehen. Das räumt immerhin ein wenig ein, dass Kane nicht allein gehandelt hat, auch wenn die Menschen im Hintergrund anonym bleiben.
Aus damaliger Sicht war daran nichts verkehrt, dass Bob Kane unter jeder Batman-Story stand, auch wenn Kane nicht mal einen Strich davon gezeichnet hat. Für ihn arbeiteten nicht nur Ghost-Writer (u.a. Don Cameron), sondern auch Ghost-Zeichner (z.B. Jerry Robinson, Dick Sprang, Sheldon Moldoff). Doch dadurch galt er in den ersten drei Jahrzehnten als alleiniger Urheber, bis in Fan-Kreisen erstmals der Name Bill Finger auftauchte, was aber lange Expertenwissen blieb. Erst 2016 – nach jahrelangem Kampf um Anerkennung – bekam endlich Bill Finger seinen Credit als Schöpfer, sodass seitdem in jedem neuen Batman-Comic oder -Film auch sein Name steht.
Verräterische Lücke
Die Story in Real Fact Comics dürfen nur die Wenigsten gelesen haben, aber sie zeugt von einer Skrupellosigkeit, mit der auch Jerry Siegel und Joe Shuster um ihre Rechte betrogen wurden. Besonders dreist ist, dass dieser Unsinn als wahre Geschichte neben anderen präsentiert wird und im Impressum lauter Gelehrte als Berater genannt werden. Hier wurde Kindern ein Märchen aufgetischt – und noch nicht einmal ein gutes. Denn wie Bob Kane auf die entscheidende Idee mit Batman kam, wird gar nicht erwähnt. Der Sprung von Detektivstorys zu einem Vigilanten im Fledermauskostüm ist groß. Gerade diese Lücke ist verräterisch: keine Erwähnung von Vorläufern wie The Shadow und Dracula oder dem Fluggerät von Leonardo Da Vinci.
Später behauptete Kane selbst einmal, Batman schon als Jugendlicher ersonnen zu haben, lange vor Superman. Die Geschichte ist genauso unglaubwürdig wie diese hier. Erst spät räumte Kane ein, dass sein angeblicher Freund Bill den Großteil zum Batman-Mythos beigesteuert hat, vom Fledermauskostüm bis hin zu allem anderen, was den Charakter und seine Welt seit den ersten drei Jahrzehnten ausmachte.

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