In welchem Comic-Zeitalter leben wir?

Golden, Silver, Bronze Age – so werden gemeinhin die klassischen Zeitalter der Comics genannt. Das goldene begann 1938 mit dem Erscheinen von Superman in Action Comics #1, manche sagen auch 1935 mit dem Erscheinen von New Fun Comics #1, des ersten Comichefts mit ausschließlich neuem Material. Das silberne begann Mitte der 50er, mit der Einführung des Comics Code, bei DC dem Reboot von Flash (Barry Allen) und dem Auftritt von Batwoman bei Batman. Das bronzene ging von 1970 bis 1985, bis zur Wende des DC-Crossover-Events Crisis on Infinite Earths, mit dem das ganze Universum erstmals neu geordnet wurde.

Damit begann das sogenannte Modern Age of Comics. Es folgten 1986 die bahnbrechenden Comics Watchmen von Alan Moore und Dave Gibbons sowie The Dark Knight Returns und Batman: Year One von Frank Miller und David Mazzucchelli, aber auch die erste Buchausgabe von Art Spiegelmans Maus, ein Holocaust-Comic, der dem Medium Comic als „Graphic Novel“ zu Ansehen verhalf. So weit, so bekannt. Doch was kommt danach? Ist bereits ein neues Zeitalter angebrochen? Wenn ja, wann und wie? Oder befinden wir uns noch immer im Modern Age, wie es bei Wikipedia steht?

Falls ja, dauert dieses Zeitalter schon sehr lange an, viel länger als frühere Perioden. Das Golden Age umfasst nach DC-Zeitrechnung 18 Jahre (bei Marvel begann es 1961), das Silver Age etwa 14 Jahre, das Bronze Age rund 15 Jahre. Dieses „Modern Age“ aber dauert bereits fast 40 Jahre an, also fast so lang wie die drei ersten Epochen zusammen.

Goldene Zeitalter

Vielleicht ist es zunächst hilfreich, sich die Begriffe näher anzusehen, weil dahinter bestimmte Vorstellungen stehen. Von einem „Goldenen Zeitalter“ spricht man nicht erst für Comics. Bereits in der Antike gab es den Mythos, dass die Menschheit zu Beginn in einem friedlichen Idealzustand, im Einklang mit der Natur gelebt hat. Im alten Griechenland ging man davon aus, dass auf ein goldenes Zeitalter ein weniger wertvolles, silbernes, folgte, dann ein eisernes – das letzte im allgemeinen Niedergang.

Diese Idee kennt man auch aus dem paradiesischen Garten Eden der Bibel. Nach dem Sündenfall ging es mit der Menschheit bergab. Ähnlich ist es auch mit der Vier-Reiche-Lehre aus dem Buch Daniel. Nach dem goldenen Reich Nebukadnezars folgen ein silbernes und bronzenes, bevor es ein eisernes geben wird und das Reich Gottes als ein steinernes und ewiges errichtet wird – so die Deutung des königlichen Traums.

DC Comics/Marvel

Interessanterweise galt die Antike ab der Renaissance dann selbst als Goldenes Zeitalter. Solche gab es dann in verschiedenen Epochen und Kulturen: etwa in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts (was nicht für ihre Kolonien gilt), in den 1920ern (die für viele alles andere als golden waren) und in den 1960ern – außer in China und für Schwarze in den USA. Goldene Zeiten waren immer relativ, je nachdem, wo und wie man gerade lebte. Mit dem Begriff verklärt man stets einen Aspekt, der alle anderen verdrängt. Nur so kann es sein, dass die ersten goldenen Jahre der Comics ausgerechnet mit der des Zweiten Weltkriegs zusammenfallen.

Verfall von Wert und Werten

Für die Comicgeschichte wählte man den Begriff, da ab 1938 dank der Superhelden die Comichefte boomten und sich am Markt etablierten. Comics waren eine Goldgrube für die Verleger – allerdings nicht für die Schöpfer. Autoren und Zeichner haben hart geschuftet, wurden ausgebeutet und mies bezahlt, oft sogar nicht mal namentlich genannt. Wer protestierte, wie Jerry Siegel und Joe Shuster, wurde rausgeworfen. Die Verlags- und Comicbranche war gnadenlos. Diese Arbeitsbedingungen änderten sich erst mit den Jahrzehnten, als die Wertschätzung für Comics stieg – denn anfangs galten sie als Schund, laut Pionier Will Eisner rangierten sie damals völlig unabhängig von Anspruch und Qualität knapp über Pornographie und wurden daher auch, vor allem in den 50ern, als jugendgefährdend angefeindet.

Die kreative und kommerzielle Blütezeit endete schnell. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Superhelden out und bei DC überlebten nur die großen Drei: Superman, Batman und Wonder Woman. Das Silver Age setzte auf Selbstzensur und eskapistische Science-Fiction, mit dem Bronze Age wurden die Geschichten reifer und ernster, behandelten Probleme in der echten Welt und wendeten sich an ein älteres Publikum. Bei Marvel hatte man damit bereits in den 60ern begonnen. Daran zeigt sich, wie schwierig es ist, die Zeitalter voneinander abzugrenzen. Doch die Tendenz war klar: Comics richteten sich nicht mehr (nur) an Kinder, sondern immer mehr an Teenager oder an Erwachsene – und wurden damit „moderner“.

DC Comics

Im Gegensatz zur Metapher des Abstieg und Wert(e)verfalls von Gold über Silber zu Bronze ist „modern“ positiv besetzt. „Modern“ meint heutig, zeitgemäß, aktuell. Der Begriff „modern“ passt immer auf die jeweilige Gegenwart, die ja nie gestrig sein kann. So fluide „modern“ ist, klingt es aber auch stets wie ein solider neuer Idealzustand. Dabei ist der Epochenbegriff viel älter. Seit der sogenannten Neuzeit grenzt man sich mit „modern“ von „antik“ ab (ganz zu schweigen vom „finsteren“ Mittelalter. Seit dem 19. Jahrhundert spricht man von „moderner“ Kunst, also Kunst, die sich nicht bloß an der Nachbildung der Natur orientiert, sondern abstrakter und experimenteller ist, nicht nur das „Schöne“, sondern auch das „Hässliche“ darstellt.

Es ist seltsam, dass der Comic, der Ende des 19. Jahrhunderts in seiner heutigen Form auftaucht und damit per se ein modernes Medium ist (worüber man streiten kann, wenn man den Begriff weiter fasst und als „Erzählen mit Bildern“ begreift), erst Mitte der 1980er-Jahre angeblich in der oder zumindest „seiner“ Moderne ankommt, obwohl es eigentlich sogar längst „postmodern“ war. Der Begriff des Modern Age klingt aber so, als hätten Comics ihre gesamte Entwicklungsgeschichte in der Rekordzeit von nicht mal einem Jahrhundert durchlaufen. Tatsächlich hat sich das Medium seit den ersten Zeitungsstrips stark weiterentwickelt und ausdifferenziert. Aber hat sich daran in den vergangenen vier Jahrzehnten im Wesentlichen nichts mehr geändert? Hat keine Entwicklung seitdem Epoche gemacht?

Das Dunkle Zeitalter

DC Comics

Grant Morrison hat eine andere Sicht auf die Comicmoderne. Er kennt kein Bronze Age, sondern nur ein „Dark Age“, das bereits 1970 begann und Mitte der 90er in einer „Renaissance“ endete. Im Dunklen Zeitalter wurden Superhelden „grim and gritty“ wurden, was bei Batman auf dem kreativen Höhepunkt 1986 einen persönlichen Tiefpunkt bedeutet: zynisch, radikal und mit Todestrieb, resignativ und am Rande der Erschöpfung bis hin zum Niedergang (siehe Knightfall und die Katastrophen-Events Contagion/Legacy, Cataclysm und No Man’s Land), auch ein Event wie Supermans Tod prägt dieses Zeitalter.

Ende der 90er bzw. bei Batman spätestens in den Nuller-Jahren, wurden die Comics wieder optimistischer, heller und bunter, was man besonders deutlich an Hush von Jeph Loeb und Jim Lee sowie Grant Morrisons Run ab Batman and Son sehen kann. Gotham war wohl selten so gut ausgeleuchtet. Doch auch da gab es immer wieder auch den düsteren Batman, den Grübler und Selbstzweifler – und im Grunde ist er das immer noch, unter anderem. Zugleich kehrte offiziell das Multiversum wieder zurück, das man eigentlich mit der Crisis begraben hatte, aber nie ganz weg war.

Vom Plastic Age zum Pixel Age

Andere haben für die Moderne bereits neue Begriffe gefunden: Die Website League of Comic Geeks bezeichnet die Zeit 1986 bis 1999 als „Copper Age“, die Jahre 2000 bis 2019 als „Plastic Age“ und seit 2020 leben wir im „Pixel Age“. Das Kupferzeitalter ist das der düsteren, erwachsenen Superheldencomics, das Plastic Age bezieht sich auf einen stark auf Sammler ausgerichteten Markt (die ihre Comics bekanntlich gern in Plastikhüllen packen), die Pandemie hat angeblich das „Pixel Age“ eingeleitet, indem es verstärkt auf digitale Publikation setzte. Auffällig an dieser Einteilung ist, dass das „Copper Age“ sich inhaltlich definiert, die beiden späteren aber nach Verlagspolitik und Verbreitungswegen. (Wobei auch das „Copper Age“ durch das Aufkommen von Trade Paperbacks und „Graphic Novels“ geprägt wurde.)

Quelle: Statista

Es ist fraglich, ob man die vorübergehende Pandemie als Zäsur für eine ganz neue Epoche beurteilen kann (zumal es dafür noch etwas früh ist), auch weil digitale Comics spätestens seit Comixology (ab 2009) und dem Aufkommen von Tablets bereits weit verbreitet sind. Allerdings ist dieses Marktsegment nicht zu überschätzen. Zwar ist der Umsatz durch digitale Comics 2020 sprunghaft angestiegen (wie auch generell der Comicumsatz in Nordamerika im Jahr 2021), doch war der Anteil zuletzt immer noch gering gegenüber den gedruckten Ausgaben. Die Meisten lesen Comics immer noch lieber auf Papier – und welche bibliophile Seele kann es ihnen verdenken?

Vielfältiger Markt

Dennoch ist unbestritten: Der Comicmarkt ist heute so vielfältig wie nie zuvor. Neben DC und Marvel gibt es viele andere Verlage, die jedes Genre und Thema für alle Zielgruppen bedienen. Beispiel Batman: Neben den Mainstream-Serien gibt es noch etliche Nebenserien sowie Comics für jeden Geschmack: Miniserien und Graphic Novels für anspruchsvolle erwachsene Leser, die Unterhaltung in der Tradition von Frank Miller erwarten (DC Black Label), Comics für Jugendliche, sogar auch Comics wie ursprünglich explizit für Kinder, aber auch für Langzeitfans und Nostalgiker, die die Filme mit Michael Keaton mögen (Batman 89) oder auch lieber die TV-Serie mit Adam West (Batman 66) oder für Freunde der Animated Series der 90er (Batman Adventures etc.).

Jedem sein Lieblingsbatman: Variant zu Batman #900, 2023. (DC Comics)

Überhaupt kommt man kaum noch ohne Nostalgie als Verkaufsstrategie aus. Kaum eine runde „Jubiläumsausgabe“ oder ein Special, das nicht Bezug nimmt auf die über 80-jährige Batman-Geschichte mit all ihren Inkarnationen. Dieses Crowdpleasing beschert jedem immer wieder seinen Lieblingsbatman – denn wer vieles gibt, wird manchem etwas geben. Neuauflagen der älteren Comics in aufwendigen Editionen richten sich an Sammler, günstige Paperbacks an alle, historische Hefte werden (digital restauriert und nachkoloriert) in Omnibussen und sogar einzeln im Facsimile-Format nachgedruckt.

Multiverse Age?

Der totale Overkill: „Crisis“ von Alex Ross (DC Comics)

Wenn man sich zudem anschaut, dass alle paar Jahre wieder ein Crossover-Event mit „Crisis“ im Titel stattfindet und mittlerweile die gesamte Batman-Historie ohne jegliche Rücksicht auf Continuity immer wieder recycelt und geremixt wird, während nebenbei immer noch neue „Elseworlds“ gestartet werden, die für sich stehen, dann kann man sagen, wir befinden uns immer noch in der „Crisis“-Ära, die 1985 begann und immer mehr das Tabula-rasa-Prinzip wieder rückgängig machte. In diesem kaum noch zu überblickenden Multiversumsmodus schert man sich kaum noch um „Kanon“ bzw. Continuity, sondern nur um maßgeschneiderte Produkte für alle Interessensgruppen.

Es gibt keine kanonische Zeitlinie mehr, sondern alles gilt, irgendwie. Und mit der an Watchmen angelehnten Miniserie Doomsday Clock (2017-2019) wurde auch erklärt, wie in DCs „Divine Continuum“ ein „Omniverse“, darin ein „Multiverse“ und darin ein sich ständig veränderndes „Metaverse“ existieren kann. Es ist der Versuch, das bisherige Chaos halbwegs zu ordnen, indem man den gordischen Knoten einfach zerschlägt.

DCs „Divine Continuum“, erklärt in Flaspoint Beyond #5. (DC Comics)

Das Konzept Multiversum hat sich bereits auch aufs Kino erstreckt. Zunächst wurde mit dem „Marvel Cinematic Universe“ (seit 2008) erstmals das Erzählprinzip der Superheldencomics aufs Kino übertragen und auf eine fortlaufende Erzählung zwischen miteinander verbundenen Filmen gesetzt. Nach dem Ende der „Infinity Saga“ begann 2021 die „Multiverse Saga“.  Sony hatte bereits 2018 das „Spider-Verse“ eingeführt. Nun ist auch DC mit dem Flash-Film nachgezogen, der einerseits ein Reboot für eine neue Kinophase darstellt und andererseits andeutet, dass Altes und Neues trotz aller Widersprüche nebeneinander bestehen kann, wie man auch an der weiterhin parallel laufenden „The Batman„-Reihe und einem neuen Joker-Film sieht.

Wir könnten also vom „Multiverse Age“ sprechen. Aber natürlich hat auch das bereits im Silver Age Bestand, seit die Justice Society des Golden Age auf einer Parallelerde verortet wurde und Superman in „Imaginary Tales“ Abenteuer jenseits einer Continuity erlebte, falls überhaupt von so einer die Rede sein kann. Das Konzept wird heute lediglich immer weiter ausgebaut, um möglichst viel Freiheit beim Erzählen zu haben und möglichst viele Leser zu erreichen, aber auch an sich zu binden. Alte Fans verstehen die Querverweise, neue Fans sind eingeladen, sich tief einzulesen, also möglichst viel aus der Backlist zu kaufen. Und auch im Kino gilt: Alles baut aufeinander auf, Filme und Serien, und erfordert mittlerweile Spezialistenwissen. Es ist das Zeitalter der Nerds.

Diversity Age?

DC Comics

Die kaum noch zu überschauende Vielfalt an Comics und ihren Ablegerprodukten, auch „Diversifikation“ genannt, schlägt sich auch in „Diversität“ nieder, einer Vielfalt von repräsentierten Identitäten: Männliche Helden werden durch weibliche Counterparts ersetzt oder ergänzt (z.B. X-23 zu Wolverine, Captain Marvel, Elektra zu Daredevil), immer stärker treten nicht nur People of Color in (Superhelden-)Comics auf, sondern auch verschiedene Geschlechter sowie Minderheiten wie Behinderte und queere Identitäten. Batwoman und Renee Montoya sind bereits seit den Nuller-Jahren lesbisch, ebenfalls Harley Quinn und Poison Ivy, „Red Robin“ Tim Drake ist seit 2021 bisexuell, Supermans Sohn Jon Kent ebenfalls, DC schwingt seitdem auch die Regenbogenfahne mit „Pride“-Specials, ebenso Konkurrent Marvel mit „Marvel’s Voices: Pride“.

Gleichzeitig werden auch die Macher diverser: Frauenfiguren wie etwa Wonder Woman werden immer mehr von Frauen geschrieben, nach Devin Grayson in den Nuller-Jahren hat mit Mariko Tamaki erstmals eine Frau mit Detective Comics eine Batman-Hauptserie schreiben dürfen, Ex-Batman-Autor James Tynion IV ist offen homosexuell, mittlerweile nennt sich Grant Morrison nonbinär. Das sind erst bescheidene Ausnahmen in einer von Hetero-Männern dominierten Branche, aber immerhin ein Anfang. Und auch abseits des Superhelden-Mainstreams, vor allem in „Graphic Novels“ (z.B. bei Alison Bechdel), ist die Tendenz klar: Die Comicindustrie geht mit der Zeit.

Ein neues Golden Age?

Aber all diese Entwicklungen passieren meist nicht schlagartig, sondern entwickeln sich allmählich. Auch moderne Tendenzen hatten ihre früheren Vorläufer und sind noch längst nicht abgeschlossen. Daher sind solche Epocheneinteilungen stets so willkürlich wie problematisch. Vielleicht aber braucht es auch gar keine neue Bezeichnung für die Gegenwart. Vielleicht ist die Moderne, die wir gerade erleben, nichts anderes als ein neues Goldenes Zeitalter für Comics.

Das dürfte nicht nur daran liegen, dass heute für jeden Geschmack, jeden Anspruch und jede Zielgruppe etwas dabei ist, sondern auch, dass Filme, TV-Serien und Games das Interesse an Comics weiter fördern. Gleichzeitig bedeutet es, dass immer mehr Comicgeschichten in anderen Medien adaptiert und weitererzählt werden. Comics, ihre Helden und Figuren sind mehr denn je Massenphänomene. Batman kann man nicht nur lesen, sondern auch anschauen und selbst spielen.

Quelle: Statista

Es steigt aber auch die Wertschätzung für das Medium. Ehemalige Comichefte werden nicht nur zu günstigen Trade Paperbacks, sondern auch zu Büchern für Liebhaber gebunden, in teuren Deluxe-, Absolute- und Omnibus-Editions, für Spezis gibt es sogar noch teurere und riesige Artist- und Gallery-Editions mit den Scans der Originalzeichnungen. Die Orientierung an Sammlern zeigt sich auch an den Variants: Die Zahl hat sich von 2018 bis 2022 verdreifacht. Auch die Verkaufszahlen steigen seit Jahren an, 2021 war mit über zwei Milliarden US-Dollar das umsatzstärkste Jahr – und das allein in Nordamerika. Der Jahresumsatz war zuletzt dreimal so hoch wie noch 2011. Vielleicht sind wir schon über Gold längst hinaus und bei Diamanten angelangt.

Ein noch größeres Ausmaß wird auch bei Auktionen deutlich. Mit der wachsenden Nostalgie steigt auch der Wert des Golden und Silver Age: Originalausgaben alter Hefte wie Action Comics #1 und Detective Comics #27, die früher 10 Cent am Kiosk gekostet haben und auf billigem Zeitungspapier gedruckt wurden, werden heute für Millionenbeträge versteigert, ebenso wie die Originalwerke der Comickünstler. Comics und Comickunst sind mehr denn je auch Anlage- und Spekulationsobjekte. Das alte Golden Age ist zumindest für manche eine Goldgrube. Wer sich die nicht leisten kann, kann sich die Geschichten in unzähligen Nachdrucken kaufen.

Zeitalter der Dekadenz?

Das klingt zwar alles nach paradiesischen Zuständen, und wer einmal in einem gut sortierten, prall gefüllten Comicladen war oder selbst Regalmeter voller Comics zu Hause hat, weiß, wie sich das Glück anfühlt, es hat aber auch eine Kehrseite: Ein riesiger Aufwand an Ressourcen wird aufgewendet, um immer mehr Produkte herzustellen, die wir alle konsumieren sollen, um das Goldene Kalb der Wirtschaft am Laufen zu halten. Man kann auch sagen: Es ist reine Verschwendung. Comics sind ein kostspieliges Hobby, das auch zulasten der Umwelt geht. Man kann argumentieren, dass das auch andere Bereiche des Lebens sind, allen voran Energie und Verkehr sowie die Herstellung von Plastikprodukten, aber auch die Comicindustrie hat durch aufwendige Produktion und Distribution ihren Anteil daran. Hier geht es nicht mehr ums Lesen von Geschichten, um Unterhaltung oder die Pflege moderner Mythen. Die Auswüchse des Kapitalismus zeigen sich in einer Überproduktion von Zeug, dessen einziger Sinn darin zu bestehen scheint, es zu besitzen.

Konsum als Selbstzweck: Ist das tatsächlich ein „Golden Age“ oder eher ein Zeitalter der Dekadenz, das den Beginn eines Verfalls in ein wahres „Dark Age“ einläutet, das uns wegen unseres Lebenswandels in der realen Welt noch bevorsteht? Erst die Geschichte wird es zeigen. Derweil lesen wir weiter fleißig in unzähligen und unendlichen Geschichten, wie Superhelden unsere Welt vor dem Untergang bewahren. Immer und immer wieder.


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