- DC Comics
- DC Comics
Titel: Green Arrow by Jeff Lemire and Andrea Sorrentino (War of the Clans)
Autor/Zeichner: Jeff Lemire/Andrea Sorrentino
Erschienen: 2013-2014 (Green Arrow #17-34, #23.1), Hardcover 2016 (Deluxe Edition), Paperback 2019 (DC Essential Edition); dt. Panini 2014-2015 (Green Arrow Megaband 2-3)
Nach dem DC-Reboot von The New 52 hatte Green Arrow ein paar Startschwierigkeiten. Nach 16 Ausgaben übernahm Jeff Lemire mit Andrea Sorrentino (das Team von Old Man Logan und später Gideon Falls) die Serie und brachen sie zu neuer Blüte – davon war sogar Mark Millar begeistert, dass er sich nicht nur (nach eigenen Angaben) die Hefte kaufte, sondern auch das Vorwort zur Deluxe Edition schrieb.
Das Interessante an dieser Storyline ist, dass Lemire sich alle Freiheiten nimmt, um Green Arrow völlig auf den Kopf zu stellen. Alles, was wir über den Helden wussten, negiert er so sehr und erweitert es um so viele überraschende Wendungen, dass es fast schon zu viel des Guten ist.
Zunächst ist Oliver Queen pleite. Sein Familienunternehmen geht den Bach runter, sein Vertrauter Emerson wird vor seinen Augen ermordet, der Mord wird ihm angelastet, dann wird auf sein eigenes Unternehmen ein Anschlag verübt. Oliver Queen ist auf der Flucht vor der Polizei – und dann auch noch vor dem Attentäter. Dieser heißt Komodo, ist ein böser Schütze und hat schon mit Queens Vater zu tun gehabt. Queen wird von einem mysteriösen Blinden gerettet, dann nimmt er sich zwei neue Helfer und versucht, das Rätsel in Europa zu enthüllen, er trifft auf Count Vertigo und erfährt immer mehr, dass nichts in seinem Leben so ist, wie es scheint. Dann droht zu Hause in Seattle ein neuer Bandenkrieg auszubrechen …
Jeff Lemire gilt als ein Wunderkind der Comic-Branche. Er ist nicht nur Autor und Zeichner, er fällt nicht nur auf durch seinen immensen Output auf, es scheint auch so, als würde alles, was er anfasst, zu Gold. Seine eigenen Graphic Novels und Serien (Sweet Tooth, Descender, Black Hammer) werden gefeiert ebenso wie seine Werke für DC (Animal Man) und für Marvel hat er neben Moon Knight und Thanos ebenfalls schon an einem Bogenschützen (Hawkeye) gearbeitet.
Für Green Arrow reichert er die Entstehungsgeschichte so an, dass er mehr als ein Held, sondern ein uralter Mythos wird. Es gibt einen ganzen Clan des Pfeils, sogar mehrere Clans mit einer langen Tradition, die sich jeweils einer Waffe verschrieben haben. Oliver Queen gerät in einen Krieg der Clans und lernt auch noch Erschütterndes über seine eigene Vergangenheit. Hier aber wird – Achtung: Kalauer – der Bogen überspannt.
ACHTUNG: SPOILER!!!
Oliver Queen erfährt von seinem Vater (der nur scheinbar gestorben ist), dass er von ihm auf die Insel gebracht wurde, um auf den drohenden Kampf vorbereitet zu werden. Der Vater inszenierte also seinen eigenen Tod, ließ seinen Sohn auf einer einsamen Insel stranden und um sein Überleben kämpfen, er ließ ihn foltern und drängte ihn zum Mord, als Teil einer geheimen Ausbildung. Das ist selbst für ein Superhelden-Comic sehr weit hergeholt. Einfacher wäre es gewesen, den Sohn in sein Geheimnis einzuweihen und ihn dann dazu auszubilden. So aber macht sich der Vater gleich mehrerer unverzeihlicher Verbrechen an seinem eigenen Sohn schuldig.
Der Sohn hasst ihn dafür, beschimpft den Vater als Irren, will nichts mit ihm zu tun haben. Aber als dieser dann den Heldentod stirbt, weint Oliver dem Irren dann doch hinterher. Vor widersprüchlichen Gefühlen sind selbst Superhelden nicht gefeit.
[SPOILER-ENDE]
Trotzdem ist Lemires Green Arrow eine spannende, zuweilen auch witzige Lektüre, die im Zusammenspiel mit den liebevoll gestalteten Charakteren und flapsigen Dialogen kurzweilig gehalten wird. Auch die Schurken bekommen viel Raum, um ihren Charakter zu entfalten. (Es gibt sogar einen kleinen Gastauftritt vom Batman aus dem Zero Year.)
Warum man den Band aber vor allem lesen sollte, sind die Bilder von Andrea Sorrentino. Der Italiener hat einen einerseits sehr realistischen, andererseits sehr düsteren Stil. Selbst bei Sonnenschein tränkt er alles in harte Schatten. Doch Sorrentino neigt auch zu einem experimentellen Layout. Kurze Momente wie das Schießen mit Pfeil und Bogen zerlegt er gerne in viele kleine Panels, in größere Panels baut er kleinere ein, die einzelne Teile des Bildes hervorheben oder sogar einen Röntgenblick erlauben.
Mal bröckeln die Bilder auch, als würden Kacheln von ihnen abfallen, mal wird eine Kampfsequenz mit Bildern erzählt, die in die großformative Schrift von Lautwörtern eingefügt werden. Ein Kampf in einer Kathedrale findet in Panels statt, die wie Kirchenfenster aussehen.
Manche Doppelseiten sind sogar so überwältigend, dass man sehr lange sehr genau hinsehen muss, um zu begreifen, was da alles los ist.
Sorrentino treibt Comics als fragmentiertes Medium ins Extrem. Und diese Verspieltheit, ist es, die beim Lesen immer wieder überrascht und in Staunen versetzt. Es sind die atemverschlagenden Bilder, die Lemires atemlose Geschichte zu einem Meisterwerk aufwerten und die Schwächen verzeihen lassen.
Dieser Green Arrow-Band beweist mal wieder, wie auch Superhelden-Comics innotive Comic-Kunst sein können. Um noch einmal das Bild zu bemühen: Der Bogen mag überspannt sein, aber am Ende trifft der Pfeil ins Schwarze.
Mehr über Green Arrow:
7 Kommentare