Batman und die Schusswaffen

Es ist schon wieder passiert: ein Amoklauf an einer Schule, Kinder sind ermordet worden und wieder diskutiert man in den USA über Schusswaffen. Die Bilanz ist verheerend: Seit den späten 60ern sind in den Vereinigten Staaten mehr Menschen durch Waffengewalt umgekommen als US-Soldaten im Ausland – mehr als eine Million Tote. Seit 1999 gab es allein fast 50 Amokläufe an Schulen. Die Politik tut sich schwer, daran etwas zu ändern. Die Argumente sind seit Jahren bekannt, doch die Debatten führen zu nichts. „Freiheit“ (oder was man darunter versteht) scheint wichtiger zu sein als Menschenleben (was allerdings beim Thema Abtreibung ganz anders aussieht). Eine Gesellschaft der Ungleichheit, eine Kultur der Angst und Gewalt, eine starke Waffenlobby, die Fanatismus nährt, sowie die leichte Verfügbarkeit von Waffen bilden eine gefährliche Mischung.

Die Haltung der amerikanischen Superhelden dazu scheint klar: Schusswaffen verursachen mehr Schaden als Nutzen. Superman mag sie nicht. Deshalb vernichtet er sie so oft er kann. Er hat auch gut reden: Er braucht sie nicht und er braucht sie auch nicht zu fürchten. Wonder Woman wehrt Kugeln mit ihren Armbändern ab. Und auch Batman mag keine Pistolen, obwohl sie vieles leichter für ihn machen würden. Andererseits liegt es nahe: Seine Eltern wurden erschossen. Daher benutzt er nicht die Waffe der feigen Verbrecher. Und er tötet nicht. Doch so eindeutig war beides von Anfang an nicht.

Batman erschießt die Vampire

Batman erschießt die Vampire. (DC Comics)

In seinem ersten Jahr benutzte Batman mehrmals eine Pistole, die er bei sich trug, er tötete auch skrupellos oder nahm zumindest Tote in Kauf. Zum Beispiel erschoss er zwei Vampire (Detective Comics #32). Damit stand er in der Tradition anderer maskierter Vigilanten wie The Shadow. Doch es hörte auch auffallend schnell wieder auf. Zum letzten Mal geschah das in Batman #1 (1940), als Batman von einem Flugzeug aus mit einem Maschinengewehr auf Dr. Stranges Monster schoss. Doch das war eine Story, die kurz vor dem Auftauchen von Robin geschrieben und kurz danach veröffentlicht wurde. Mit dem kindlichen Sidekick wurde aus dem grimmigen Rächer ein heiterer und auch menschenfreundlicherer Hilfspolizist. Mit Schusswaffen war von da an Schluss. Fast.

Batman tötet mit dem Maschinengewehr

Batman tötet mit dem Maschinengewehr. (DC Comics)

Denn auf einem Cover aus Kriegszeiten (Batman #15, 1943) sieht man Batman wieder mit einem Maschinengewehr für Kriegsanleihen werben. „Keep those bullets flying!“, heißt es, doch man sieht nicht, wohin diese Kugeln fliegen und wen sie treffen. Batman und Robin lächeln, als wäre das Töten im Krieg nur ein Spiel. Diese Cover hatten nichts mit den Comicgeschichten zu tun, aber trotzdem: Für die gute Sache (den Krieg gegen die Achsenmächte) war sich Batman dann doch nicht zu schade, um mit Waffe zu posieren. Propaganda folgt eigenen Regeln.

Batman #15, 1943 (DC Comics)

Dennoch etablierte sich Batmans Waffentabu. Als im Jahr 1964 Batmans „neuer Look“ eingeführt wurde, kam auch kurz eine Waffe zum Einsatz: Batman nahm einem Gauner die Pistole ab und hielt ihn damit in Schach (The Mystery of the Menacing Mask, Detective Comics #327). Daraufhin gab es Protestbriefe und der noch neue Redakteur Julius Schwartz musste einen Fehler eingestehen. Trotzdem war Batman auch später noch in den 70ern mit Waffen auf Covern zu sehen, etwa von World’s Finest #195 und 240.

Batman mit Schusswaffen

DC Comics

Mitte der 80er wurde dann wieder an dem Grundprinzip gekratzt. In Frank Millers The Dark Knight Returns gibt es ein eindeutiges Bild: Batman zerbricht ein Gewehr und erklärt es zur Waffe des Feindes, die er und seine Anhänger nicht brauchen.

Die Waffe des Feindes? Batman benutzt sie trotzdem (Montage). (DC Comics)

Dennoch hat er zuvor selbst eines benutzt, wenn auch nur um einen Enterhaken abzuschießen. Nach dem Endkampf mit dem Joker nimmt er Commissioner Yindel die Waffe ab und schießt damit auf Sprengladungen, um sich vor der eintreffenden Polizei zu schützen. Und einmal nimmt er einem Mutanten sogar eine Maschinenpistole ab und schießt einen anderen damit an.

Batman mit Gewehr und Maschinengewehr (Montage). (DC Comics)

Dass er den Gegner nicht erschossen hat, geht erst später aus dem Kampf mit dem Joker hervor, wo klar wird, dass Batman bisher nie seine Grenze überschritten hat – selbst aus seinem Panzer schießt er nur Gummigeschosse. Trotzdem bleibt die Bildsprache ambig. Einerseits lehnt Batman Waffengewalt klar ab, andererseits benutzt er welche, wenn auch nur in bestimmten Kontexten und nie um zu töten.

DC Comics

In Batman: Year Two (Detective Comics #575-578, 1987) verfällt der Held erneut der Versuchung. Als er gegen den Schurken Reaper an seine Grenzen stößt, überschreitet er diese und greift sogar zu der Pistole, die seine Eltern getötet hat. Zwar benutzt er sie kaum und das auch nur so selten wie möglich, etwa um Gegner zu entwaffnen (einmal sogar um Gordon seine Pistole aus der Hand zu schießen), aber die Maßnahme erscheint doch sehr drastisch – und schwach motiviert. Erst recht, als er dann noch gemeinsame Sache mit dem Mörder seiner Eltern, Joe Chill, macht.

Karriereende: Batman Beyond mit Knarre. (Warner Bros.)

Ähnlich, aber konsequenter ist es bei Batman Beyond: In der ersten Folge der Serie greift ein gealterter Bruce Wayne bei einem Einsatz in einem verzweifelten Moment zur Waffe und beendet daraufhin seine Karriere. Er ist nicht nur zu alt geworden, sondern auch zu schwach, wenn er mit seinem eisernen Prinzip bricht.

In den kanonischen Comics bleibt die Regel bestehen. In Seduction of the Gun (1992) setzt sich Batman eindeutig gegen Schusswaffen ein, ebenfalls in dem Zweiteiler Trail of the Gun (2004) mit Catwoman – zwei aktivistische Comics, um die Gewalt an Schulen und das Töten auf der Straße zu beenden. Es zeugt von Mut, dass DC und seine Autoren in einem Land, das so sehr in dieser Hinsicht gespalten ist, sich so klar positionieren.

Batman schießt auf Darkseid in „Final Crisis“ (DC Comics).

Doch 2009 feuert dann Batman wieder selbst eine Waffe ab: Gegen den Oberschurken Darkseid in Final Crisis #6. Es handelt sich um eine besondere Kugel, mit der Absicht zu töten. Batman reflektiert selbst, dass er eine einmalige Ausnahme macht, gibt aber Darkseid dafür die Schuld, weil dieser ihn auf die Idee gebracht habe. Daraufhin „stirbt“ Batman den Heldentod, indem er selbst von Darkseid getötet wird – doch nur scheinbar, denn aus irgendeinem Grund strandet Bruce Wayne nur in der Steinzeit, während sein Körper als Gerippe zurückbleibt. Trotzdem: Im Grunde stirbt Batman nach einem Prinzipienbruch. Das ist nur konsequent, auch wenn es einen seltsamen Nachgeschmack hinterlässt.

Batman schießt in „Odyssey“ (DC Comics)

Schließlich provozierte auch Altmeister Neal Adams, als er in seiner „Odyssey“ Batman mit zwei Pistolen schießen ließ (2010). Nicht um zu töten, sondern nur zur Selbstverteidigung, um andere zu entwaffnen, hieß es, allerdings mit rabiaten Drohungen, seinen Gegnern das Hirn rauszuschießen. Das war aber nur in den Anfangstagen so, wie Batman Robin anvertraut. Zum Glück ist Adams‘ Irrfahrt nicht als kanonisch zu werten, sondern spielt in einer ganz eigenen (verrückten) Welt.

In den Kinofilmen hatte Batman seltsamerweise seit 1989 kaum Bedenken bei der Wahl seiner Waffen. Sowohl Michael Keaton als auch Ben Affleck schießen und töten, ohne Skrupel und ohne das auch nur einmal zu problematisieren. Damit untergraben die Filme jegliche Moral, für die die Figur eigentlich steht. Trägt Batman also zur Gewalt bei? Das wäre sicher übertrieben. Nein, nicht die Medien sind schuld, nicht die Comics, die Filme oder Games, wie Konservative immer wieder weismachen wollen.

Einer der (in dieser Hinsicht) „moralischsten“ Batmen war der von Christopher Nolan und Christian Bale. Genützt hat es nicht viel, denn bekanntlich missbrauchte ein Mann eine Vorstellung von The Dark Knight Rises (im Juli 2012) für einen Amoklauf in Aurora, Colorado. Zwölf Menschen starben, 58 weitere wurden verletzt.

Leider war kein Batman zur Stelle, um das zu verhindern.


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Ein Kommentar

  1. Sehr interessant, vielen Dank für diesen Artikel Lukas.
    Ich persönlich mag keine Schusswaffen, habe im Grundwehrdienst bei der Bundeswehr damals nur widerwillig damit hantiert, ich kenne und liebe Batman seit ich denken kann. „Sind doch bloß Zielscheiben und ich bin Sanitätssoldat, so what?“, dachte ich mir. „Außerdem hat Batman sicher auch mit Zielscheiben trainiert. Nur weil er sie nicht selbst benutzt, heißt das nicht, dass er sich nicht damit auskennt, er muss sich damit ja auskennen können, um bewaffnete Gegner einschätzen zu können…“ *lol* Ich war noch sooo jung. 😀
    Ich schätze, meine Abneigung gegen Schusswaffen verdanke ich tatsächlich meiner Liebe zu Batman. Verrückt, oder? Für mich erklärt es sich von selbst, dass ein Mann, der ein tiefgreifendes, lebensveränderndes Trauma durch Schusswaffen erleiden musste, eine natürliche Abneigung dagegen empfindet. Und mein Vorbild als Kind war schon immer Batman. Heißt logischerweise, wenn Batman keine Waffenmag, tue ich das auch nicht.
    Klar, wie du hier sehr richtig schilderst, war und ist diese Abneigung gegen Waffen nicht immer und überall präsent. Je nachdem, wer die Geschichte verzapft, Batman ist schließlich kein lebendes, atmendes Wesen mit eigener Identität, sondern ein fiktiver Charakter, dessen Handlungen von Autoren und Zeichnern bestimmt wird. Aber aus genau diesem Grunde habe ich die meisten Batman-Filme nie richtig und vollumfänglich gemocht: Weil Batman hier skrupellos tötet und dies auch gerne mit Schusswaffengewalt. Batman v Superman z.B. kann ich mir streckenweise nicht anschauen, wegen dem Geballer, das mich mehr an einen Punisher Film erinnert, als an einen Batman Film.
    Ich mag keine Schusswaffen, Batman hin, oder her. Sie richten weltweit so viel Leid und Elend an. Und um damit zu töten, muss man nicht mal großartig trainieren, je nach Kaliber kann das jeder Idiot. Eine ehrlose Waffe für Feiglinge also, die ihr Gegenüber möglichst aus sicherer Entfernung ins Jenseits befördern wollen, ohne großartigen eigenen Einsatz. Bei all den Amokläufen und Schoolshootings kann ich es nicht nachvollziehen, dass die Waffengesetze sich nicht ändern, vor allem auch in den U.S.A. Und gerade deshalb finde ich es sehr schön, dass die Superhelden in den Comics, allen voran Batman, immer wieder so klar Position beziehen und das ausgerechnet in Amerika. Um so mehr frage ich mich allerdings wiederum, wieso dies in Filmen wie „Batman v Superman“ nicht ebenso der Fall ist. Da lobe ich mir tatsächlich Chris Nolans Trilogie. Man kann hier als Fan sicher einiges kritisieren, aber diese Kernbotschaft hat er verstanden und transportiert: Batman tötet nicht. Niemals. Sonst ist er nicht besser als die, die er bekämpfen will. Punkt.

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