Titel: Superman: President Luthor
Autor/Zeichner: Jeph Loeb/Ed McGuinness u.a.
Erschienen: 2000/2001, Paperback 2018
„The… politics of our adopted world often defy any logic. Without logic we are left with chaos.“ (Martian Manhunter)
Im Jahr 2000 geschah das Unglaubwürdigste, was Superheldencomics je hervorgebracht haben: Mit Lex Luthor wurde erstmals ein Schurke Präsident der USA. 15 Jahre später holte die Realität die Fiktion ein und noch mal acht Jahre später wieder … Wie es im Fall von Lex dazu kommen konnte, wird in zwei Kurzgeschichtenanthologien und einigen Superman-Heften erzählt.
Zunächst: Warum hat Luthor das getan? Der Grund, der in „The Why“ nonverbal gezeigt wird, ist trivial. Nicht etwa, um die USA zu einem besseren Ort oder zu einer Diktatur zu machen, sondern aus demselben Grund wie alles andere: weil Luthor Superman hasst. Seine Kandidatur ist bloß eine weiterer Versuch, etwas seinen Erzfeind zu besiegen. Doch wofür es dazu der Präsidentschaft bedarf, wenn er als wohl reichster Mann der Welt genug Macht und Mittel besitzen dürfte, wird nicht klar. Sein Unternehmen Lexcorp übergibt er Talia al Ghul, die sich unter dem nicht sehr kreativen Decknamen „Talia Head“ vor ihrem Vater Ra’s versteckt. Zuerst will sie nicht, dann aber überzeugt er sie, indem er einen Haufen Killer auf sie hetzt und dabei 17 Leichen in Kauf nimmt. Lex überzeugt sie von ihrer Sicherheit, indem er sie in Gefahr bringt? Diese Logik soll mal einer verstehen. Aber es wird noch wilder.
Unpolitischer Superman
Luthor tritt weder für die Demokraten noch für die Republikaner an, sondern als unabhängiger Kandidat, zusammen mit Clarks Jugendfreund Pete Ross als Vize. Dass Lex trotzdem Chancen hat, ist sehr unwahrscheinlich, das hat noch nie zuvor einer geschafft. Vor allem stellt sich die Frage, wie er so Mehrheiten im Kongress zusammenbekommen will. Aber für Politik interessiert sich die Storyline nicht. Es gibt bloß eine kurze TV-Debatte, in der Lex einige Ansichten äußert, etwa über alternative Energiequellen, um von fossilen Brennstoffen wegzukommen, den Nahen Osten oder die Todesstrafe (er ist dafür). Doch die Debatte gerät zum Nonsens und stellt sich zum Schluss als Traum dar, in dem er gegen Two-Face antritt. Dabei wäre es einmal interessant gewesen, zu wissen, wo Luthor politisch steht.
Eine Diskussion mit Superman findet ebenfalls nicht statt. Der ist zwar über die Kandidatur empört und noch empörter, nachdem sein Erzfeind tatsächlich gewählt ist, aber er tut absolut nichts dagegen. Er äußert sich nicht einmal öffentlich kritisch gegen Luthor, den er unzählige Male bei Verbrechen gestoppt hat. Nein, er schüttelt ihm am Ende sogar die Hand, um ihm vor den Kameras zum Sieg zu gratulieren! Erst viel später fragt er sich, ob er etwas hätte tun sollen. Damit steht Superman, der sonst Herr der Lage und eine moralische Instanz ist, ziemlich unbeholfen da – und dient so eher als abschreckendes Beispiel für eine unpolitische, passive Haltung.
Auch die Gespräche, die er mit seinen JLA-Kollegen führt, lassen einen ratlos zurück. Green Lantern (Kyle Rayner) relativiert den Wahlsieg des Superschurken, indem er sagt, der vorige Präsident sei ebenfalls ein Gauner gewesen und der nach Luthor werde wohl wieder einer sein – als bestünde kein grundsätzlicher Unterschied zwischen den Politikern. „No wonder nobody votes.“ Zählen etwa die Millionen Wähler nicht? Eine erschreckend fatalistische Einstellung für einen, der täglich gegen das Böse kämpft! Dann beruhigt es nur wenig, wenn er einräumt, trotzdem wählen zu gehen.
Immerhin bekennt sich Flash zur Demokratie und dem „American Way“, das macht mehr Mut. Wonder Woman, mit der sich Superman in der Antarktis balgt, ist Luthor völlig egal. Allein Batman konfrontiert Lex direkt und fordert nach dem Wahlsieg den Kryptonitring zurück. (Warum auch immer erst jetzt.) Lex weigert sich, Batman zieht unverrichteter Dinge wieder ab, dabei hätte er den Ring einfach stehlen können.
Aquaman hingegen schließt hingegen schon während des Wahlkampfs einen Deal mit Luthor für Atlantis ab. Zuvor flutet er Metropolis und hetzt ein Monster auf die Stadt. All das dient Lex dazu, sich als wahrer Retter in der Not zu inszenieren. Superman hält den Deal für ein leeres Wahlkampfversprechen.
Bei der Inauguration stört ein Schurke namens Earthquake (der Name ist Programm), um den wahren Bösen aufzuhalten. Superman, Steel und andere verhindern das und dann wirft der Störenfired ihnen vor, nur „zombies“ von Luthors Machenschaften zu sein. Ganz Unrecht hat er nicht …
Verpasste Chance
Vieles fühlt sich an dieser Storyline sehr falsch an. Nicht nur wegen des Ergebnisses, das natürlich Anlass für weitere Verwicklungen gibt, sondern auch, wie es zu all dem kommt. Denn plausibel wirkt es nie. Jeph Loeb (Superman For All Seasons) und die anderen Autoren reißen das Meiste nur an, um sich bei diesem politischen Thema bloß nicht ernsthaft mit Politik und den Details eines Wahlkampfs auseinandersetzen zu müssen. Eine große verpasste Chance, Superman-Comics mehr Substanz zu verleihen und einen kritischen Kommentar zum Zeitgeschehen zu liefern. Stattdessen sehen wir nur, wie Superman seinen Frust an einem Mond auslässt und dann Weihnachtsgeschenke an seine Freunde verteilt.
Das Ende findet Luthors Präsidentschaft in Loebs völlig überdrehter Storyline „Public Enemies“ (Superman/Batman #1-6. 2003-2004). Luthor hetzt eine Bande von Superschurken und dann eine von Superhelden auf die World’s Finest, bevor er dank einer Kryptonitvergiftung völlig durchdreht und schließlich – nach einem Kampf mit Superman – des Amtes enthoben wird. Doch eigentlich sind es nicht die Helden, die den Schurken zu Fall bringen und auch nicht die Demokratie, sondern die Hybris des Größenwahns.
Hoffen wir, dass die Realität auch in dieser Hinsicht die Fiktion einholen wird.


Die Idee eines Lex Luthor als US-Präsident habe ich immer als lächerlich, absurd und – selbst für die Verhältnisse eines Superheldencomics – völlig unrealistisch abgetan. (Vielleicht liegt dieses Paperback deshalb bis heute ungelesen bei mir im Schrank.) Nachdem die Amis Trump gewählt und trotz Kapitol-Sturm auch erneut gewählt haben, sehe ich mich nun dazu gezwungen, auch mein Bild der Superhelden-Fiktion entsprechend anzupassen. Verrückt.
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