Götter als Alltagshelden

Titel: The World’s Greatest Super-Heroes (dt. DC Helden)

Autor/Zeichner: Paul Dini/Alex Ross

Erschienen: 1999-2004 (One-shots: Superman: Peace on Earth, Batman: War on Crime, Captain Marvel: Power of Hope, Wonder Woman: Spirit of Truth, JLA: Secret Origins, JLA: Liberty and Justice) Paperback 2005, Hardcover 2017 (Absolute Justice League); dt. Panini 2007 (DC Premium 50)


„I now see that taking on this responsibility was too ambitious for one man, even a Superman.“

Alex Ross ist der Michelangelo unter den Superhelden-Malern. In den 90ern hat er zuerst mit Marvels die Marvel-Helden zu Göttern gemacht, dann – mit Kingdom Come – die DC-Helden, wenn auch in einem Elseworlds-Szenario. Ende der 90er begann er zusammen mit Autor Paul Dini damit, den größten Charakteren einzelne Denkmäler zu setzen: Superman, Batman, Captain Marvel, Wonder Woman und der Justice League. Entstanden sind sechs Bände, in denen einerseits die Helden mit bildgewaltigen Auftritten zu Göttern stilisiert, anderersits ihre menschlichen Seiten gezeigt werden.

Die Helden kämpfen nicht gegen Superschurken, sondern gegen die realen Probleme der Welt: Superman versucht, den Welthunger zu besiegen – und scheitert an der Gier und der Borniertheit der Menschen. Batman (der sich fragt, wie sein Leben ohne Reichtum verlaufen wäre) versucht, das Verbrechen an der Wurzel anzugehen, um Menschen in Gotham ein besseres Leben zu ermöglichen, und erzielt immerhin Teilerfolge. Es ist interessant in der Gegenüberstellung, wie der Übermensch versagt und der Mensch gewinnt, aber in ihrer Grundhaltung sind beide Geschichten positiv.

So auch Captain Marvel (Shazam) und Wonder Woman: Während der eine behinderten Kindern Hoffnung gibt, indem er Zeit mit ihnen verbringt, beschützt die andere Unschuldige (Frauen) weltweit vor ihren Unterdrückern. Captain Marvel kann zwar auch den Vater eines Jungen davon abhalten, seinen Sohn zu misshandeln, aber Wonder Woman scheitert mit ihrer Naivität, als sie sich halbnackt in ihrem Kostüm unter vollverschleierte Muslima begibt – dafür fliegen Steine.

Jeweils über zwei Seiten werden die jeweiligen Entstehungsgeschichten der Helden nacherzählt, so auch die von Flash, Green Lantern, Aquaman, Martian Manhunter und anderen. Die umfangreichste Story ist der Justice League gewidmet. Das Team muss einen außerirdischen Virus in Zentralafrika bekämpfen, der zur Bedrohung für die Welt wird. Während die Helden versuchen, das Schlimmste zu verhindern, bricht weltweit Panik aus, die Helden müssen intervenieren und machen sich damit unbeliebt. Das Vertrauen wird erschüttert – und muss anschließend mühsam wieder aufgebaut werden.

Trotz der allzu weltlichen Probleme ist der Blick stets nach innen gekehrt, der Ton der Geschichten nachdenklich. Sprechblasen gibt es nicht (außer bei der JLA), die Captions sind aufgelöst in reine Textfelder, um der Kunst mehr Raum zu geben. Wichtiger als die äußere Handlung sind die inneren Vorgänge und Motivationen der Helden. So bekommen die Charaktere eine größere Tiefe als in den meisten Comics. Und manches Unerhörte offenbart neue Abgründe, wie z.B. dieser Gedanke von Batman:

„In my darkest moments, I’m taunted by the suspicion that my parent’s murder was the best thing that ever happened to me. Cynically, I tell myself it has given my life a destiny and the means to fulfill it.“

Die Superhelden zweifeln an sich, weil sie mit ihren scheinbar unendlichen Kräften an die Grenzen des Machbaren stoßen. Ganz alltägliche Probleme scheinen unüberwindbarer als eine Alien-Invasion. Man sieht, warum auch Superhelden nicht alles können – es sei denn, sie werden zu Tyrannen, was sie natürlich nicht wollen. Ihren größten Nutzen haben die Übermenschen, wenn sie sich bemühen, einfach nur gute Menschen zu sein. So besteht auch ihr Zweck für die reale Welt darin, anderen Menschen Hoffnung zu verleihen.

Alex Ross inszeniert die Protagonisten nicht nur überaus realistisch, sondern auch feinfühlig, mit einem treffenden Gespür für Ausdrücke und Nuancen schafft er es, jeden noch so geringen Statisten mit Leben zu füllen. Mit ungewöhnlichen Perspektiven und einer Vielzahl an romantisierenden Lichtstimmungen versetzt er auf jeder Seite seine Leser in Staunen. The World’s Greatest Super-Heroes wird seinem Titel mehr als gerecht, es ist ein Meisterwerk.

Jahrelang war das Buch vergriffen, jetzt hat DC es in einer prächtigen Absolute-Edition herausgebracht (UVP: 75 US-Dollar). Für jeden DC- und Alex Ross-Fan dürfte es das perfekte Weihnachtsgeschenk sein.

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