Batman mag ein zeitloser Charakter sein, doch er ist, man vergisst es leicht, ist ein Produkt der späten 30er Jahre. Und von allen späteren Varianten funktionierten stets die am besten, die sich auf diesen Ursprung besinnten. Es ist mehr als Nostalgie und Retrocharme, es ist die Gewissheit: Batman am besten hin, wo er herkommt. In eine Zeit ohne Computer und Internet, in der zwar in der (Pulp-)Fiktion alles möglich war, aber der Held sich immerhin etwas einfallen lassen musste.
Auf diese Erfolgsformel setzte Batman: The Animated Series in den 90ern, weshalb sie bis heute dafür gefeiert wird. Und nun versucht auch die neueste Zeichentrickserie, Batman: Caped Crusader (auf Prime Video), daran anzuknüpfen. Entwickler und Produzent Bruce Timm geht sogar noch weiter: Es ist nicht nur ein Retro-Gotham, sondern die Handlung spielt wirklich in den 40ern – jedenfalls was die Ausstattung angeht. Batman hat lange, hornartige Ohren und kurze Handschuhe wie bei seinen ersten Auftritten 1939, sein Batmobil ist ein einfaches schwarzes Auto, er hat keinen Robin und ist ein Held, der mehr auf Hirn und Handarbeit setzt als auf Gadgets.
ACHTUNG: SPOILER!!!
Episoden mit linearen Handlungsbögen
Dass diese Welt dennoch nicht der unseren in den 40ern gleicht, erkennt man an der Diversität der Charaktere: Das entspricht zwar dem heutigen Zeitgeist, doch in den USA der 40er hätte es niemals einen schwarzen Commissioner geben können – doch Rassismus spart man in dieser Serie noch mehr aus als Blut. Was schade ist, denn das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, der Serie eine tiefere Dimension zu verleihen (vgl. Gotham City: Year One).
Dabei ist Caped Crusader sonst eher eine Serie für Jugendliche bzw. Erwachsene und steht in bester Noir-Tradition: Gotham ist eine vom Verbrechen (Pinguin, Rupert Thorne) regierte Stadt, selbst die Polizei ist korrupt, Batman wird noch von ihr gejagt, er ist allein, bis auf seinen treuen (hier dicklichen) Butler Alfred, den er bloß „Pennyworth“ nennt, obwohl sie eine Vater-Sohn-Beziehung haben.
Doch der Titelcharakter bleibt hier seltsamerweise nur einer von vielen und dadurch unterentwickelt. Der Schwerpunkt liegt auf den vielen Nebenfiguren wie James und Barbara Gordon (eine Pflichtverteidigerin), Detective Renee Montoya (ohne Harvey Bullock, sein Partner ist Arnold Flass!) und Harleen Quinzel. Anders als bei Batman: TAS wird in jeder Episode auch ein Stück fortlaufender Handlung miterzählt, etwa Harvey Dents Entwicklung vom Staatsanwalt und (korrupten) Bürgermeisterkandidaten zum Schurken Two-Face, was im Staffelfinale in einer – na klar – Doppelfolge mündet.
Neues Leben für alte Schurken
Die Autoren wie Ed Brubaker (Gotham Noir, The Man Who Laughs) geben sich große Mühe, die bekannten Schurken neu zu erfinden. Der Pinguin ist eine Frau (Oswalda Cobblepot), die keine Skrupel hat, ihren eigenen Sohn zu ertränken. (Was nur schwer macht, mit ihr Sympathie zu empfinden.) Catwoman ist eine Frau aus ehemals reichem Haus, die auf Raubzüge geht, weil sie pleite ist. Clayface beginnt zunächst wie im Golden Age als Schauspieler Basil Karlo, dann wird aber eine Matt-Hagen-Story daraus, nur mit dem Unterschied, dass der alte Mime nicht verunstaltet wurde, sondern unter seinem angeborenenen Gesicht leidet, weil er die Frau seiner Träume nicht bekommt. Harleen Quinzel ist eine Psychiaterin, die ihre reichen Patienten entführt und um ihr Vermögen erleichtert. Warum sie sich als Harlekin verkleidet, leuchtet jedoch nicht ganz ein. Inspiriert vom Joker ist sie jedenfalls nicht – zum Glück kommt dieser überbeanspruchte Schurke in der ersten Staffel nur ganz am Ende vor, als Cliffhanger für Staffel zwei.
Statt aber die gesamte klassische Rogues Gallery aufzubieten, gibt es andere Überraschungsgäste, wie etwa Deadshot (Floyd Lawton), Kevin Smiths Onomatopoeia (Cacophony, The Widening Gyre) und den Gentleman Ghost. Damit bricht aber auch leider die Magie in die sonst so bodenständige Welt, und das gleich zweimal, als auch noch eine junge Nocturna (Natalia Night) auftaucht und eine Reihe von Waisenkindern ihrer Lebensenergie beraubt, die auch noch die Namen und das Aussehen diverser Robins tragen (Dick, Jason, Stephanie, Carrie), was darauf hindeuten könnte, dass die Serie entweder keinen Robin haben oder dieser „Tim“ oder „Damian“ heißen wird.
Bei aller Mühe, die man sich hier gibt, Batman zeitgemäß und doch traditionsbewusst zu erzählen, bleibt allerdings nicht viel hängen. Es fehlen die herausragenden Episoden, die raffinierten Plots oder ikonischen Szenen, die Batman: TAS so bedeutend und klassisch gemacht haben. Am gelungensten ist das Finale um Two-Face, das tiefer in den Charakter dringt und ihn nicht ganz so plakativ zeichnet wie andere Inkarnationen – mit zwei überraschenden Wendungen.
Visuell bleibt Caped Crusader leider meist konventionell. Die Animation hätte geschmeidiger sein können, auch hätte der Noir-Stil mehr Schatten vertragen können. Hier bleibt die Serie hinter dem großen Vorbild aus den 90ern zurück. Die Musik des deutschen Komponisten Frederik Wiedmann ist herausragend und steht atmosphärisch der von Shirley Walker in nichts nach, aber am Intro hat man leider gespart und bloß Szenen aus der Serie durch einen körnigen Schwarzweißfilter gedreht.
Zum Schluss fällt die Bilanz durchwachsen aus: Gute Unterhaltung, wohltuender Ernst, aber vielleicht auch zu ernst, ohne genug Anlass für ein echtes Mitfiebern zu bieten. Doch wie so oft müssen sich manche Serien erst im Verlauf finden und so bleibt zu hoffen, dass mit Staffel zwei das Entwicklungspotenzial besser ausgeschöpft wird.




Ich kann dir nur zustimmen Lukas, ich hatte mir tatsächlich auch mehr erhofft, die Schurken bleiben eindimensional und es fehlet irgendwie der letzte „Pepp“, damit es im Gedächtnis bleibt und man mehr möchte. Ich bin jedenfalls gespannt auf Season 2 in der Hoffnung, dass die Serie vielleicht doch noch an Fahrt aufnimmt und zu seinem „großen Vorbild“ (BTAS) aufschließt 😉
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