Titel: The Joker Vol. 3
Autor/Zeichner: James Tynion IV, Matthew Rosenberg/Giuseppe Camuncoli, Francesco Francavilla
Erschienen: 2022 (The Joker #10-15), Hardcover 2023
Wir kommen zum Finale von James Tynions Joker-Epos, das eigentlich ein James-Gordon-Epos ist, aber der Name würde im Titel halt nicht so ziehen. Dennoch ist die Serie dann am besten, wenn Gordon im Vordergrund steht, vor allem seine Vergangenheit. Das erste Kapitel des dritten Bandes ist eine Rückblende in die Zeit kurz nach The Killing Joke. Barbara muss sich an ihr Leben im Rollstuhl gewöhnen, James Jr. zeigt erste Verhaltensauffälligkeiten, indem er Vaters Joker-Akten liest und seine Waffe stiehlt, dann wird er von einem Joker-Nachahmer entführt. Im Grunde lassen sich all diese Rückblenden wie ein schöner Gordon-Comic in Year-One-Manier lesen. Aber da ist ja noch das sogenannte Hauptgeschehen in der Gegenwart.
Der Joker wurde von der Kannibalen-Familie Sampson entführt (siehe The Joker Vol. 2). Auf dem Familienanwesen in Texas soll er gebraten und verspeist werden. Doch auch Lady She-Bane, pardon: „Vengeance“, will dem Clown an den Kragen, denn immerhin wurde sie dafür herangezüchtet. Nun zieht der verwundete James Gordon los, um seinen Erzfeind, den er über alles hasst (bzw. hassen müsste) zu retten. Dafür zieht er seine vom Joker traumatisierte Tochter mit rein, hat ein weiteres Batgirl sowie Julia Pennyworth mit im Gepäck. Ach ja, und da ist auch noch der Court of Owls (Rat der Eulen) mit an Bord …
Dabei stellen sich die üblichen Fragen: Warum bringen die Sampsons den Joker nicht sofort um? Weil sie sich das Beste zum Schluss aufheben, klar, aber vor allem damit Gordon ihn retten kann. Warum hält Vengeance vorher eine Predigt über ihre Motive, bevor sie den Joker tötet? Auch hier: Damit Gordon ihn retten kann. Das ist billig, faul und spannungsarm – und so bleibt es auch bis zum Schluss. Dafür gibt es ganz viel Ekeleffekt, wenn wir den Kannibalen beim Essen menschlicher Körperteile zusehen.
Viel Erklärung, trotzdem viel Unklarheit
Das Finale wird verschenkt für eine Rückblende, in der Gordon über zwei Heftlängen einen sehr langen Monolog hält und alles Geschehene nacherzählt und sich erklärt. Zu erklären gibt es vor allem den mal wieder überkomplizierten Plan, der nichts mit dem Joker zu tun hat. Der Clown rückt immer mehr in den Hintergrund und bleibt merkwürdig passiv, dafür dass er Namensgeber dieser Serie ist – ein Etikettenschwindel. Leider ist die Story hinter der Story bei Weitem nicht so interessant. (SPOILER: Hinter dem „A-Day“ steckt Bane und hat seinen Tod nur inszeniert, überzeugend ist das nicht.) Trotz aller Erkläreritis wird nicht klar, warum Gordon den Joker nicht tötet (denn alles bisher Geschehene spricht dafür), außer dass der Schurke für DC eine Cashcow ist.
Immerhin darf Gordon eine Seite lang über die übelsten Auswüchse des Kapitalismus ablästern, nämlich Superreiche, die so mächtig sind, dass sie sich alles erlauben können, ohne vom Gesetz tangiert zu werden. Die Sozialkritik ist klar und deutlich. Und auch wenn sich die Kannibalen in der wahren Welt (hoffentlich) in Grenzen halten, kann man das Bild auch so deuten: Die Reichsten dieser Welt sind mit ihrem Lebensstil zumindest im übertragenem Sinne Menschenfresser, da sie – durch Ausbeutung und Ressourcenverschwendung – Leben zerstören und über Leichen gehen. (Passend dazu empfehle ich die Filme The Menu und Triangle of Sadness aus dem Jahr 2022.)
Das gibt zu denken. Und damit ist The Joker insgesamt – trotz aller Plot-Schwächen – ein gar nicht mal so hirnloser Comic, sondern einer mit Seele und klarer Haltung. Immerhin.

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