Batman auf Weltreise

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DC Comics

Titel: Batman – The World

Autor/Zeichner: diverse

Erschienen: 2021 (One-shot)


„Leaving Gotham from time to time is good. It can be a breath of fresh air. But sometimes the smell is the same.“ (Batman)

Vor sechs Jahren jagte Batman den Joker durch Europa, besuchte Prag, Paris, Berlin und Rom, jetzt ist er auf Weltreise unterwegs: The World heißt der Band, den DC zum Batman-Tag veröffentlicht hat, gleichzeitig in all den 14 Ländern, die Batman hier besucht, auf allen Kontinenten – außer Australien und Afrika.

Na gut, Australien ist im Grunde nur ein einziges Land (auch wenn zu dem Kontinent noch ein paar Inseln gehören, ok). Aber warum nicht Afrika? An einem Mangel an Kriminalität kann es nicht liegen. Und unter 1,3 Millionen Einwohnern dürften sich bestimmt auch geeignete Autoren und Zeichner finden. Doch anscheinend gibt es auf dem gesamten Kontinent – von Ägypten bis Südafrika – keine nennenswerte Leserschaft und von DCs Seite offenbar auch kein Interesse daran, eine aufzubauen. Aber die können auch nicht alle nur Black Panther lesen. In Grant Morrisons Batman Incorporated, als der Dunkle Ritter Filialen in aller Welt eröffnet hat, gab es noch einen afrikanischen Batwing. Diesmal wird Afrika so ignoriert wie die Antarktis.

Erster Minuspunkt, noch bevor ich gelesen habe. Was ist mit den anderen 14 Ländern?

Batman als Tourist

Wie so oft, wenn Batman um die Welt reist (z.B. in Barcelona), entsteht der Eindruck, dass es hier vor allem darum geht, Sightseeing zu betreiben. Batman wird vor verschiedene Sehenswürdigkeiten gestellt, als würde er für Urlaubsfotos posieren. Die können sich dann die jeweiligen Comicgemeinden einrahmen oder ins Album kleben, nach dem Motto: Batman war (auch) hier! Und so ziehen auch wir in The World wie japanische Touristen alle paar Seiten von Attraktion zu Attraktion, um Batman mal hier und mal da zu sehen.

Den Anfang machen Brian Azzarello und Lee Bermejo (Batman: Damed, Joker) mit den USA. In diesem Land spielen zwar bekanntlich 99 Prozent aller Batman-Storys, aber hier gibt es gar keine Story, sonndern nur eine Art Prolog, der erklären soll, warum sich Batman als Weltbürger sieht. Man kann es sich denken: weil es überall Verbrecher gibt. Dazu sehen wir ein paar Pin-ups aus der klassischen Schurkenriege. Schön gezeichnet, sonst kaum Mehrwert, da kein Wort darüber, das die USA ausmacht.

Mit Catwoman im Louvre

Ansonsten besichtigen wir wieder Prag, Rom und Paris, in Paris natürlich den Louvre samt Mona Lisa. Fast möchte man rufen: Klischee ahoi!, aber die kleine Jagd zwischen Batman und Catwoman gelingt, weil sie am Ende überrascht. In Spanien umgeht Paco Roca sämtliche Klischees, indem er Bruce Wayne einfach an einem Küstenort Urlaub machen lässt. Viele wortlose Panels lang sehen wir den überanstrengten Helden nichts tun, außer sich gehen zu lassen – und das ist herrlich erfrischend.

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Batman in Frankreich, Spanien, Tschechien. (DC Comics)

Es wird immer dann peinlich, wenn die Autoren versuchen, so etwas eine Story zu erzählen: Eine Jagd nach Bane in der Türkei muss niemanden interessieren, denn hier geht es bloß darum, das Land vorzustellen. Ebenso in Warschau, wo Bruce Wayne versucht, eine polnische Tech-Firma zu kaufen und sich zunächst Clark-Kent-mäßig mit Brille verkleidet und tatsächlich erwartet, niemand würde ihn erkennen. In Prag geht es um einen Mad Scientist, der mit Telepathen experimentiert. In Mexiko darf Batman eine Geisterfrau von ihrem Fluch erlösen und steigt dazu tief in die Frühgeschichte der Stadt hinab. Na ja …

Manches ist etwas ambitionierter, fast schon experimentell: In Rom wird die Geschichte eines doppelköpfigen Superschurken namens Janus rückwärts erzählt, bis zu einer Szene, in der Batman die Eltern eines Jungen vor einem Attentäter schützt und gerade deshalb die Schurkenkarriere inspiriert.

Sozialkritik in China und Brasilien

Nun gut, aber wäre so eine Weltreise nicht mal wert, sich den wahren Problemen und Schurken auf der Erde zu widmen? Auch das gibt’s: In Deutschland (Bayern) will der Joker zwei Umweltaktivisten für sich gewinnen und hält selbst eine flammende Ansprache gegen Erderwärmung und Umweltverschmutzung. Zusammen mit den anderen will er Bäume pflanzen und sie mit dem Blut der Klimasünder düngen. Als Batman auftaucht, um ihn zurück in die USA zu bringen, bringt Joker die tiefgründigste Äußerung des Bandes:

„Home? Come on, Batman. I’m not needed there. A mad clown has already taken a dump on the desk of the oval office, and people still love him. Whereas the Germans are so sensible and joyles. They need the Joker!“

Sozialer Probleme nimmt sich Batman ebenfalls an. In China steigt der Held in eine landesübliche historische Rüstung und wehrt sich gegen eine aggressive Gentrifizierung, die seine eigene Firma verusacht hat. Bruce Wayne übernimmt Verantwortung für seine eigenen Fehler – zusammen mit einem Sidekick namens Panda Girl.

Einen großen Sprung in Sachen Relevanz macht das Team aus Brasilien. Da beginnt es mit Straßenkriminalität und endet bei einem korrupten Politiker, der sein Volk aufhetzt. Kommt uns das bekannt vor? Natürlich: Nach Trump wird mit Bolsonaro abgerechnet. Die Moral von der Geschicht: Die wahren Helden sind die einfachen Leute, sie können wirklich was bewirken – nur wie, das verrät uns Batman leider nicht. Und wem das noch nicht banal genug ist, der liest Sätze wie „Brazil is a country of many contrasts.“ – Diese Plattitüde dürfte in so ziemlich jedem Reiseführer zu jedem Land dieser Erde stehen.

In Japan setzt sich Batman als eine Art Samurai-Krieger für die Pressefreiheit ein. Ein Künstler, der ihn für eine Zeitung gezeichnet hat, wird verfolgt und bittet Batman um Hilfe. Doch der Dunkle Ritter will das nur tun, wenn der andere aufhört, ihn zu zeichnen. So soll er sich selbst schützen und Batman nicht als Helden glorifizieren. Als der Künstler sich weigert, ändert Batman seine Meinung: „People can draw what they want, unless it’s going to harm others.“

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Batman in Korea, Japan, Russland (DC Comics)

Jetzt könnte man sich fragen, inwiefern eine Zeichnung andere verletzen kann – und wäre gleich bei der Karikaturendebatte angelangt. Würde Batman also nicht sagen: „Je Suis Charlie“? Das bleibt offen. Und so bleibt auch The World ein Band, der niemandem wehtut, sondern – wie so oft bei Anthologien – eine bunte Wundertüte bildet, mit ein paar Perlen zwischen mäßigem Füllmaterial, auch visuell ist für jeden Geschmack was dabei, sogar im Mangastil.

Mein Highlight bildet die Episode aus Russland: Ein Zeichner erzählt, wie er als in der Sowjetunion einen Batman-Stift bekommen hat und daraufhin zum Zeichner wurde, wie er nach dem Fall der Mauer Batmans Abenteuer im Fernsehen verfolgte und ihm schließlich selbst begegnet ist. Das ist mal eine ganz andere Perspektive auf den Mythos, sehr sensibel dargestellt und mit einer schönen Wendung am Ende versehen.

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3 Kommentare

  1. Oh je, ich hab mich viel zu sehr gespoilert, bin selbst noch net zum lesen gekommen. Konnte dem Artikel hier aber beim besten Willen nicht mehr länger widerstehen 😀
    Das klingt alles sehr vielversprechend, klischeehaftes sightseeing an der einen oder anderen Stelle hin oder her. Jetzt freue ich mich noch mehr darauf, den Band endlich im Urlaub zu schmökern. Ich glaube wirklich, ich habe schon einmal Geld ausgegeben, das weniger gut angelegt war. Jap…ziemlich sicher sogar 😉

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