Gegen das Geschwür Gotham

DC Comics

DC Comics

Titel: City of Crime (dt. Stadt der Sünde)

Autor/Zeichner: David Lapham/Ramon Bachs

Erschienen: 2005-2006 (Detective Comics #800-808, 811-814, Paperback 2006), dt. Panini 2014.


 „Diese und unzählige andere schreckliche Dinge geschehen heute. Und niemand ist da, um sie zu verhindern.“

„Es gibt keinen Platz mehr für Batman.“

Ich habe noch keine Erklärung dafür, vielleicht ist es meine Neigung zur kleinen Form, aber aus irgendeinem Grund funktioniert Batman besonders gut in Geschichten auf wenigen Seiten. Wie etwa „In der Nacht“, der Prolog des Zwölfteilers City of Crime. Darin wird auf acht Seiten eine einfache Geschichte erzählt, wie Batman einen gefangenen Jungen aus einem Keller befreit, aber die Erzählstimme, die immer wieder Sätze mit „In der Nacht“ beginnt, schafft eine eindringliche Stimmung. Dann kommen so bittersüße Sätze zustande wie: „In der Nacht spritzt Blut und erzeugt Kunstwerke auf dem Asphalt. Die Stadt wimmelt von Pollocks und de Koonings. Die Stadt ist ein Museum.“ Oder: „Man sagt, in der Nacht gäbe es nichts, was da nicht auch am Tag wäre. Ist nicht wahr. In der Nacht gibt es Angst. In der Nacht gibt es Monster.“ Wir sehen eine aus der Finsternis fliegende Fledermaus. Und am Ende, im vorletzten Panel, kurz bevor Batman zur Rettung des Jungen naht, heißt es: „In der Nacht stirbt eine Frau.“ Es wird klar, dass die Nacht in Gotham eine besonders grausame ist. Und dass Batman nicht überall sein kann …

Davon handelt auch City of Crime. Die Erzählstimme, ein fatalistischer Kommentator, bleibt erhalten und charakterisiert diese Stadt, deren Wurzeln, wie sie sagt, in die Hölle reichen. Dabei sehen wir Batman zunächst bei der Alltagsarbeit, nämlich Kleinkriminelle zur Strecke zu bringen – manchmal auch bevor die eigentliche Tat passiert. Die Hauptgeschichte, die David Lapham erzählt, ist außerordentlich komplex: Es geht um Menschenhändler, um schwangere Mädchen, um eine verschwundene Tochter, um eine an Drogen gestorbene reiche Göre – einen Fall, der Batman nahe geht. Irgendwas hat der Pinguin mit der Sache zu tun. Mr. Freeze hält eine junge Frau gefangen, weil er sie als neue Nora ehelichen will. Und dann gibt es Menschen, die nicht die sind, die sie vorzugeben scheinen. Halluzinierende Normalbürger begehen aus Angst Verbrechen. Batman und Robin haben alle Hände voll zu tun, auch die Polizei spielt eine große Rolle (James Gordon allerdings nur eine untergeordnete) – und dann gibt es noch eine Bürgermeisterwahl. Auch wenn das zusammen sehr viel Stoff ist, bei dem es schwerfällt, den Überblick zu behalten, ist City of Crime eine einnehmende Geschichte. Vor allem wegen dieses durchgehenden Erzählstils und seiner ausdrucksstarken Bildsprache.

Eines der interessantesten Kapitel ist das, in dem Batman undercover in einem Elendsviertel ermittelt: Er nimmt einen Job als Kranführer an und schließt Freundschaft mit einem Hauptverdächtigen. Lange ist kein Batman zu sehen, stattdessen wird ein Gesellschaftspanorama der dort lebenden Menschen aufgefächert – und man fühlt sich zuweilen an Großstadtepen wie die HBO-Serie The Wire (2002-2008) erinnert. Das ist mal eine willkommene Abwechslung (auch wenn der Fanboy leicht nervös werden kann, wenn mal länger als 22 Seiten weder Cape noch spitze Ohren in einem Panel auftauchen).

Leider ist die Auflösung am Ende etwas halbgar. Zu viele Fragen bleiben offen. Lapham legt viele falsche Fährten, sodass einige davon als lose Enden in der Luft hängen. Aber darum scheint es dem Autor nicht zu gehen, am Ende kehrt er zu der Mutter zurück, die ihre Tochter verloren hat. Dieser Einzelfall ist ihm wichtiger als der Plot um die große Verschwörung im Untergrund. Und schließlich geht es ihm nur darum zu zeigen, dass die Stadt Gotham, als City of Crime (oder im Deutschen „Stadt der Sünde“) einem Geschwür gleicht, bei dem auch einer wie Batman es nicht schafft, hinterherzukommen – oder besser gesagt: immer nur hinterherhinken kann.

Man sollte sich auf diese Stadtrundfahrt einlassen. Das kann man auch ganz ohne Vorwissen um die Continuity. Diese Story steht weitgehend für sich.

>> Batman 2000-2011

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