Titel: Riddler: Year One (dt. Riddler: Das erste Jahr)
Autor/Zeichner: Paul Dano/Stevan Subic
Erschienen: 2022-2023 (Miniserie #1-6), Hardcover 2023; dt. Panini 2024
Wenn eines aus dem Film The Batman (2022) in Erinnerung geblieben ist, dann ist es Paul Danos Darstellung des Riddlers. Das war mal etwas ganz anderes: Zum ersten Mal im Film wirkte der Schurke wie ein ernstzunehmender Gegner. Kein Spandex, kein grüner Anzug mit Fragezeichen, keine Albernheiten, sondern ein raffinierter wie beängstigender Psychopath und Serienkiller in Sturmmaske, der weniger mit Rätseln als mit seiner Botschaft zum Nachdenken anregt. Paul Dano hat sich so sehr in seine Rolle versetzt, dass er sich eine Vorgeschichte zu ihr ausgedacht hat. Daraus ist sein erster Comic entstanden: Riddler: Year One.
Wir sehen, wie Edward Nashton als introvertierter, hochbegabter Buchhalter eine weit verzweigte Korruption aufdeckt und dabei an der Welt verzweifelt. Gotham City ist ein extrem düsterer Ort, an dem man nicht leben will, weil Menschen hier nichts wert sind und nur ausgebeutet und misshandelt werden. Daher phantasiert Edward auch, sich vor den Zug zu werfen. In den Gesichtern seiner Mitmenschen sieht er Monsterfratzen, er schläft schlecht, träumt von Horrorszenarien, in denen er wieder zum Säugling wird und sich in einem schwarzen Netz verfängt. Auf die Politiker ist kein Verlass, sie haben ihre Versprechen, die Verhältnisse zu verbessern, gebrochen. Ein Projekt zur Stadterneuerung dient der Geldwäsche. Nur Batman gibt Anlass zur Hoffnung – und wird zum Vorbild.
Paul Dano zeichnet das intensive Psychogramm eines Außenseiters, der – wie wir bereits aus dem Film wissen – als Waisenkind bereits viel Schlimmes durchmachen musste und damit den negativen Gegenpol zu Bruce Wayne bildet. Auch als Erwachsener lebt er ein einsames, freudloses Leben, dem allein Rätsellösen Freude bereitet. Als er sich bei der Arbeit hervortut, wird er bloß weiter desillusioniert und radikalisiert.
Düster und verstörend
Als wäre das Erzählte bereits nicht deprimierend genug, inszeniert Zeichner Stevan Subic das alles noch bedrückender. Sein Stil changiert irgendwo zwischen Bill Sienkiewicz (der auch die Cover macht), Andrea Sorrentino (Batman: The Imposter) und Szymon Kudranski (Penguin: Pain and Prejudice). Er kombiniert verschiedene Zeichen- und Maltechniken sowie Collagen, in denen harte Schatten und Nebel dominieren, oft ist auch kaum etwas erkennbar – oder nur so viel wie nötig. Manches wirkt verstörend wie aus einem David-Lynch-Werk (etwa die Darstellung des Babys). Spätestens die Rückblende im Waisenhaus mit Ratten gerät zum ultimativen Albtraum.
Das alles ist nicht nur extrem, es ist auch sehr dick aufgetragen, stellenweise sogar zu dick (das war es auch im Film), aber in einem visuellen Medium wie dem Comic ist das verzeihlich, denn hier geht es vor allem um starke Bilder, die sich einprägen. Riddler: Year One wird keinen kaltlassen. Es ist ein intensives Erlebnis, auch wenn man weiß, wohin die Reise geht. Zwar schwere Kost, aber eine, die sich flüssig lesen lässt und beeindruckend anzuschauen ist. Dano erweist sich als talentierter Debütant, von dem man sich mehr wünscht.
Gefangen in der Erklärfalle
Leider hält er das Niveau nicht durch, denn nach zwei Dritteln gehen dem Kreativ-Duo die Ideen aus. Das fünfte Kapitel ist fast durchgehend als collageartiges Tagebuch gehalten, was zum einen aussieht wie die Arbeit eines überambitionierten Kunststudenten, der sich in einen Verrückten hinein zu versetzen versucht (wer schreibt schon Reihen von Einsen und Nullen in sein Tagebuch?), zum anderen erfährt man hier nichts Neues über den Charakter, stattdessen wird nur allzu wortreich schwadroniert und jeder noch so nichtige Gedanke notiert.
Damit tappt auch dieses „Year One“ in die typische Prequel-Falle, dass zu viel erklärt wird, vor allem Details, die man gar nicht wissen wollte. Etwa, dass Nashton Dünger mit gefälschtem Ausweis gekauft hat. Wen interessiert das?
Das letzte Kapitel bleibt dann routiniert, spannungsarm und dient allein dazu, direkt zum Film überzuleiten – und zwar auf den Tag genau. Alles läuft genau nach Plan. Wie langweilig – wäre es auf visueller Ebene nicht so atmosphärisch dicht. Aber der Phantasie bleibt nur noch wenig überlassen.
Für die einen wird diese Story genau das Richtige für düstere Winterabende sein, alle anderen sollten mit der Lektüre vielleicht lieber auf sonnigere Tage warten. Trotz seiner Schwächen gehört dieser „Comic zum Film“ zu den besten Batman-Erscheinungen dieses Jahres und den besten Riddler-Comics – für mich jedenfalls deutlich interessanter als Tom Kings One Bad Day: Riddler (das aber immerhin ebenbürtig von Mitch Gerads gezeichnet ist).

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