Einmal um die Welt mit dem Joker

DC Comics/Panini

Titel: Joker: The World

Autoren/Zeichner: Geoff Johns u.a./Jason Fabok u.a.

Erschienen: 2024 (One-shot), dt. Panini 2024


Nach der Anthologie Batman: The World (2021) hat DC nun einen Nachfolgeband herausgebracht, der den Joker in den Mittelpunkt stellt. Der kann sich zwar über einen Mangel an Aufmerksamkeit nicht beklagen, man kann von einer Joker-Fatigue sprechen, aber da gerade Joker: Folie à Deux in den Kinos läuft, verlangen die Regeln der Vermarktung eine große Neuerscheinung. Der Joker hat sich zuletzt in seiner eigenen Serie in der Welt herumgetrieben, unter anderem in Belize, Frankreich und auf Mallorca. Nun geht es auch in weitere Länder.

ACHTUNG: SPOILER!

Wir beginnen in den USA. Und weil im Grunde fast jede Joker-Story in den Staaten spielt, lassen ihn Geoff Johns und Jason Fabok (Three Jokers) in einem entlegenerem auftauchen: in Alaska. Dort terrorisiert er die Gäste eines Diners. Der Inhaber soll eine Karte ziehen, um zu entscheiden, was der Joker mit ihm machen soll. Spoiler: Es ist nichts Gutes. Schließlich nimmt ihm ein tapferer Junge die Bürde ab und zieht … Na, ihr ahnt es sicher. Aber lest selbst. Nur sechs Seiten, nicht besonders kreativ, aber es hat seine Momente und ist wie immer meisterhaft detailliert und ausdrucksstark von Fabok gezeichnet.

Dann macht der Joker Urlaub in Spanien und wundert sich, wie wenig er als Schwerverbrecher in Madrid auffällt. Die Stadt scheint jedenfalls Gotham in nichts nachzustehen, außer dass es hier keinen Batman gibt. Aber der Joker kann’s dann doch nicht lassen, in alte Gewohnheiten zurückzufallen und Museumsbesucher zu vergasen. Spanien ist ihm zwar zu langweilig ohne Batman, aber er schätzt den Urlaub als Perspektivwechsel, um die Heimat wieder schätzen zu lernen. Damit dürfte Autor und Zeichner David Rubin den Geist des ganzen Bandes zusammenfassen.

Joker als Jazzfan in Wacken

Nach Deutschland fliegt der Joker, als er hört, dass dort ein Wissenschaftler eine Maschine gebaut hat, die das Wetter manipulieren kann. Eigentlich nichts Neues in der DC-Welt, aber der Joker verspricht sich davon eine neue Möglichkeit, Terror zu verbreiten. Der erste Versuch geht jedoch schief und lässt bloß einen Tornado durch Wacken ziehen. Ohne ersichtlichen Grund fährt der Joker mit seinen Leuten hin, um sich das Ergebnis anzusehen, doch auf dem Metal-Festival lässt man sich von Unwetter nicht stören, sondern nutzt die Gelegenheit, um sich im Schlamm zu suhlen. Am schlimmsten aber findet der Clown die Musik: Er selbst ist nämlich ein Jazz-Fan. – Eine flotte Quatschgeschichte, aber Autor Thorsten Sträter war schon witziger. Und es zeugt schon von viel Selbstgefälligkeit, dass er sich von Ingo Römling im letzten Panel zeichnen lässt.

Weniger heiter geht es in Mexiko zu. Dort sehen wir den Joker passenderweise am Tag der Toten und gruselig ist auch die Story: Der Schurke hat einem Mann offenbar eine Art Gehirnwäsche verpasst und aus ihm eine Killermaschine gemacht, dann lässt er ihn auf den eigenen Vater los. Wie es ausgeht? Sicher nicht schön. Verstörend brutal, aber meisterhaft gemalt.

Joker macht Schule

In mehreren Geschichten geht es um die Wirkung des Jokers in der Welt, er macht nämlich oft Schule. Eine Polizistin in Südkorea hat mit einer Reihe von Joker-Nachahmern zu tun und wird daraufhin traumatisiert von ihren schlimmen Verbrechen. Dann bricht ihr eigener Therapeut in Clownsmaske in ihre Wohnung ein und geht mit einem Messer auf sie los. Verletzt im Gesicht übernimmt sie schließlich selbst die Identität des Jokers. Sein Wahn scheint sich wie ein Virus auszubreiten. Pointe am Ende: Es gibt kein „Original“, denn der Joker ist mehr eine Idee als eine Person. Eine noch verstörendere Geschichte, die leider darunter leidet, dass die Farben zu dunkel ausfallen und die Zeichnungen schlecht erkennbar machen.

In Argentinien lernen wir einen Fußball-Hooligan kennen, der lernt, sich gegen andere Banden zu wehren, indem er die Rolle des Jokers adaptiert. Er wird zum skrupellosen Mörder und lässt auch Lachgas in Pillen herstellen. Er tötet sogar seinen besten Freund, als dieser ihm die Rolle streitig macht – nur um daraufhin den wahren Joker aus den USA auf sich aufmerksam zu machen. Und der fühlt sich veranlasst, nach Argentinien zu reisen, um etwas klarzustellen.

Zwei Geschichten bewerten Nachahmer jedoch anders. In Kamerun dreht ein professioneller Clown durch, weil er bei einem Kindergeburtstag gedemütigt wird. Daraufhin ermordet er einen Mann, wie er einem Psychiater gesteht. Es stellt sich heraus, dass der Arzt den Clown mit einem Buch inspiriert hat – dahinter steckt der amerikanische Joker, der offenbar andere zu Mord anstiften will.

In Tschechien findet sogar ein Joker-Casting statt, das Original ist live aus Arkham zugeschaltet, während eine dreiköpfige lokale Jury Anwärter für das Amt des tschechischen Jokers beurteilet. Etwas seltsame Prozedur für einen Clown des Chaos, aber der Gewinner sieht das offenbar auch so, bricht die Regeln und Erwartungen, sodass er die Gunst des echten Jokers erhält. Er will ihn für das „multinational franchise“ werben. Doch der Sieger zeigt sich nur wenig beeindruckt. Eine pfiffige Meta-Story.

Das Grauen der Geschichte

Manche Autoren nutzen den Joker auch nur, um ein Stück Landesgeschichte zu erzählen. Paolo Bacilieri etwa führt den Joker ins Italien (Bologna) der 70er: Studentenproteste, Repressionen, Straßenschlachten. Der Joker mittendrin als Professor, der das freie Denken der Studenten anstachelt und dann selbst eingreift, indem er in einem selbstgemachten Batman-Kostüm einen Polizisten erschießt. Der Clown wird zur politischen Figur. Leider ist das Ganze schwach erzählt und gezeichnet. Ich bin einfach kein Fan von Paolo Bacilieri.

Nach Brasilien kommt der Clown unfreiwillig, er wird in eine „Arkham Colonia“ transferiert, wo ihm ein Friseur vom Hospital Colonia de Barbacena erzählt. In dieser Psychiatrie wurden bis 1980 etwa 60.000 Menschen umgebracht, durch Krankheiten, Unterernährung, Misshandlung und Folter. Die meisten Patienten sollen gar nicht psychisch krank gewesen sein. Das ist selbst dem Joker zu viel, er bricht aus und lässt sich von Batman heimbringen. Die Geschichte des Horrorkrankenhauses wird nur angedeutet, gerne hätte man darüber mehr erfahren. Die extrem expressionistischen Bilder erinnern an Dave McKeans Arkham Asylum, doch dieses kann mit der Realität der brasilianischen Geschichte nicht mithalten. Ich schätze, das ist hier die wahre Pointe.

Hofnarr im Osmanischen Reich

Der türkische Beitrag versetzt uns ins Osmanische Reich. Der Joker ist ein ehemaliger Hofnarr, der sich nun als Schuhputzer verdingt. Zuerst hat er zwei Briten als Kunden, denen er indirekt vorwirft, den Türken die Kulturschätze zu rauben. Dann wird er von einer Art lokalem Batman verhört und am Ende stellt sich heraus, dass der Narr den Briten und vielen anderen Theaterbesuchern die Schuhe mit einer tödlichen Schuhcreme gewichst hat. Dem wortlastigen Beitrag hätte man den etwas langatmigen Dialog etwas kürzen können. Dennoch ein interessanter Ansatz, der sich kritisch, aber humorvoll und intelligent mit dem Kolonialismus auseinandersetzt. Außerdem wunderschön illustriert.

Einen Einblick in die polnische Geschichte gibt es in Krakau. Dort versucht der Joker, das berühmte Gemälde vom Hofnarren Stańczyk von Jan Matejko (1862) zu stehlen (das eigentlich in Warschau hängt). Es zeigt eine historische Figur, die Trübsal bläst, während andere sich im Hintergrund amüsieren – der Narr sieht als einziger das Unheil des Landes heraufziehen. Leider ist die Historie interessanter als die Comicstory dazu, denn dann taucht der polnische Schwarze Ritter Zawisza auf, der den Clown in die Flucht schlägt. Nicht sehr einfallsreich, und auch ziemlich humorlos. Der Joker will das Bild haben, weil es nicht den Klischees von Narren entspricht. Er wünscht sich mehr Respekt. Am Ende verfällt er selbst in Stańczyk-Rolle des Kulturpessimisten und beklagt, dass die Menschen sich bloß berieseln lassen. Was natürlich auch auf viele Batman-Comics zutrifft, die im Grunde auch nur Teil der Unterhaltungsindustrie sind, aber in dieser Anthologie gibt man sich viel Mühe, darüber hinauszuwachsen.

Im Gegensatz zum letzten Beitrag. Da geht es nach Japan. Doch statt einer neuen Kurzgeschichte, lesen wir hier bloß das erste Kapitel des Mangas One Operation Joker. Entweder eine Notlösung oder man wollte für die (sogar ganz amüsante!) Serie werben. Doch hier ist dieser „Teaser“ deplaziert und daher eine Frechheit!

Bilanz: Unter 13 Geschichten sind immer acht Treffer, aber nur wenige echte Highlights.

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2 Kommentare

  1. Hm, da lohnt sich der Kauf allein schon deswegen, weil ich ein großer Thorsten Sträter-Fan bin. Und weil dieser, rein zufällig natürlich, bei der Comic Con in Stuttgart zu Gast sein wird…zugegeben kein ehrenwerter Grund, sich das Teil zu kaufen. Aber ich bin auch nur ein Mensch. Und der Joker war in letzter Zeit so omnipräsent in sämtlichen Medien, dass ich seiner ehrlich gesagt überdrüssig bin und mich nach der Zeit sehen, als alle Welt wusste, dass Batman mehr als nur einen Feind hat…

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