Es gehört ohne Frage zu den schönsten Büchern meiner Sammlung: The World’s Greatest Super-Heroes. Alex Ross hat – wie schon in Kingdom Come – Bilder für die Ewigkeit geschaffen. Auch ohne den Text von Paul Dini zu lesen, kann man immer wieder durch die Seiten blättern und jedes Mal erstaunen. Wirklich: Jedes Mal aufs Neue ist man hin und weg.
Es ist Jahre her, seit ich es gelesen habe. Es wurde mal wieder Zeit. Und es war wieder ein Genuss: Superhelden versuchen, echte Probleme von echten Menschen zu lösen. Hunger, Verbrechen, Unterdrückung. Sie scheitern am Menschen und es zeigen sich der Grenzen der Macht: Gegen Vorurteile, Misstrauen und Gier kommen auch Superkräfte nicht an. Passend zu diesen realen Problem lässt Alex Ross alles realistisch aussehen. Übermenschen wie Superman und Wonder Woman wirken wie Menschen aus Fleisch und Blut. Doch was bei denen funktioniert, scheitert bei Batman: War on Crime.
Zum einen: Es ist viel zu hell. Gotham ist die Stadt der Schatten, aber hier ist alles auch bei Nacht gut ausgeleuchet, nichts wirkt geheimnisvoll oder unheimlich, und auch von Batman ist stets alles zu sehen. Er ist wie Superman ein Mann in einem Strampelanzug, mit kleinen Falten und Nähten am Cape, unter der Maske sind seine Augen zu sehen.
Das mag realistisch sein, aber es ist zu viel Realismus und gerade dadurch wirkt es auch unglaubwürdig. Seine Maske sieht aus wie mit schwarzer Farbe aufs Gesicht gemalt, wir sehen keine Muskeln, sondern bloß einen klobigen Kerl in Spandex, ein bisschen The Dark Knight Returns, aber eher wie Adam West. Niemand hätte vor so einer Gestalt Angst, ja, man glaubt es kaum, wenn er an einem Seil dahergeschwungen kommt.
Im echten Leben würde Batman kein Spandex tragen, sondern einen Kampfanzug, eine Art Rüstung, wie auch in den Filmen zu sehen ist. Wie man das in Comics übersetzen kann, zeigt Lee Bermejo (Joker, Noel, Damned). Da sieht man auch jede Naht, aber der Anzug wirkt funktional und nicht dekorativ.
Batman ist nicht realistisch
Wenn man Alex Ross kritisch betrachtet, dann wird auch klar, warum wir nicht mehrere Batman-Darstellungen dieser Art sehen. Nicht, weil es an fähigen Malern fehlte: Es gab seitdem viele gemalte Versionen, aber nur wenige so fotorealistische. Batman ist zunächst eine Comicfigur, ein (offener) Cartoon. Er wurde zuerst mit Tusche gezeichnet und wurde auch dafür geschaffen, schwarze Konturen und nur wenige Farben zu haben. Er sieht am besten aus, wenn sein Cape schwarz ist, sich die Muskeln unter dem grauen Kostüm abzeichnen und die Augen bloß weiße Schlitze sind. Und überhaupt wirkt die Figur dann am stärksten, je weniger man von ihr sieht und wenn, dann möglichst übertrieben: ein Meter lange Ohren wie Teufelshörner, fünf Meter lange Capes mit Eigenleben, unmögliche theatralische Posen oder auch reduziert aufs Nötigste. All diese bewährten Stilmittel geben der Figur erst das Mythische, Entrückte, das wir an ihr schätzen.
Wer hat je gesagt, Batman müsse realistisch sein? Er ist der Inbegriff des Unrealistischen! Er ist eine Fantasy-Figur, zwischen Horror und Science-Fiction. Er ist ein Illusionist, er kommt aus dem Nichts und verschwindet im Nichts. Sein Lebensraum ist der Schatten und Schatten sind im Comic meist schwarz wie Tusche. Nicht zufällig wurde er für den Comic geschaffen und funktioniert auch am besten in diesem Medium in klassischer, cartoonhafter Form, denn hier lässt man sich am ehesten auf die Illusion ein.
So schön Alex Ross auch malt: Mit Batman, wie er ist und – meiner Meinung nach – sein soll, hat seine Darstellung nicht viel zu tun.

