Absolute Superman Vol. 1: Last Dust of Krypton

Deutscher Titel: Der letzte Staub Kryptons

Autor/Zeichner: Jason Aaron/Rafa Sandoval

Erschienen: 2024-2025 (Absolute Superman #1-6), Hardcover/Paperback 2025; dt. Panini 2025 (Heft 1 enthält nur #1-3)


Allem Anfang wohnt bekanntlich ein Zauber inne. Diese Binsenweisheit beherzigen Superheldenverlage besonders gerne, denn zum einen gehören die Origin-Storys der bekanntesten Superhelden zum modernen Mythenkanon und zum anderen gewinnt man mit einem Neustart immer neue Leser. Daher bekommt auch Superman eine radikale Neuinterpretation im Absolute-Universum.

Doch gerade mit diesem Anfang ist es so eine Sache: Supermans Origin wurde in 87 Jahren schon unzählige Male neu erzählt, immer ein bisschen anders, aber doch im Wesentlichen gleich. Grant Morrison hat es in The New 52 selbst versucht, doch in All-Star Superman hat er es wunderbar auf eine Seite und vier Schlagworte gebracht: „Doomed planet. Desperate scientists. Last Hope. Kindly couple.“ Mehr muss nicht gesagt werden, alle wissen Bescheid. Denn mit jedem Mal wird es schwieriger, dieser allzu bekannten Story noch etwas Neues zu entlocken. Am besten ist, man lässt sie aus. Doch Autor Jason Aaron (Batman: Off-World) wagt es, alles noch einmal ausführlich zu erzählen.

Totalitäre Systeme

Dabei variiert er die Komponenten, indem er Superman – ähnlich wie beim Absolute Batman – erdet. Jor-El und Lara stammen aus der Arbeiterklasse in einem streng hierarchischen Klassen- bzw. Kastensystem auf Krypton. Jor-El ist Geologe im Bergbau, Lara eine Ingenieurin und Technikerin, die Maschinen konstruieren und reparieren kann. Krypton wird beherrscht von den Klerics, einer Kaste von Wissenschaftlern, die aber ein Monopol auf die Wahrheit beanspruchen und weder Interesse an Kritik haben, noch daran, die Bevölkerung vor dem Untergang zu retten. Sie denken nur an sich und ihresgleichen.

Wer jetzt Parallelen zur heutigen Zustand der Erde sieht, der irrt nicht. Denn auf der Erde dieses Universums sieht es nicht viel besser aus. Da herrscht mit Lazarus ein übermächtiger Konzern über Politik, Wirtschaft und sogar das Wetter. Brutale paramilitärische Peacemaker terrorisieren die ausgebeuteten Menschen. Hinter all dem steckt Brainiac, aber der Name Lazarus deutet bereits auf einen anderen Drahtzieher hin …

Working Class Hero

Kal-El kommt als Teenager zur Erde. Seine Eltern haben versucht, mit ihm und anderen in einer Rakete zu fliehen, sind aber bei Kryptons Explosion (scheinbar) gestorben. Hier macht Aaron erstmals glaubwürdig, warum nur Kal-El zur Erde fliegt. Es ging alles überstürzt zu, es gab keinen Fluchtplan, Kal-El trieb monatelang durchs All und ging psychisch an der unendlichen Leere fast zugrunde, bis er zufällig auf die Erde stieß, von gelber Sonnenenergie überfordert wurde und in Kansas landete.

Nachdem er dort von Peacemakern angegriffen wird, flieht Superman und zieht um die Welt, um Menschen zu helfen. Damit kehrt er zurück zu seinen Wurzeln als Working Class Hero, wie ihn Jerry Siegel und Joe Shuster geschaffen haben und wie man es in den ersten Abenteuern, etwa in Superman #1 (1939) nachlesen kann. Dabei macht sich der Held bei Lazarus unbeliebt, hier in Person von Agent Lois Lane, die ungern Berichte schreibt, aber durch Superman dazu inspiriert wird, ihre eigenen Worte zu finden. Ähnlich ging es schon dem jungen Clark Kent auf Krypton, der mit seinen Ambitionen ein Außenseiter in der konformistischen Gesellschaft gewesen ist.

Superman aktueller denn je

Absolute Superman bietet uns einen Superman fürs ChatGPT-Zeitalter. Trotz der hier propagierten Ambition zum Selbsterzählen und Selbstdenken wird Superman begleitet von einer intelligenten Rüstung namens Sol, die ihm beratend zur Seite steht, ähnlich wie bei Iron Man. Das hat zwei Nachteile: Auch wenn er sie eigentlich nicht braucht, wirkt Superman dadurch einerseits weniger super (weil unselbständig) und gleichzeitig zu super, weil er so noch mehr Kräfte hat, als ohnehin schon. Das Problem vieler Comics, dass Superman zu mächtig ist, bleibt leider auch hier bestehen. Die Logik hinter seinem Cape, das plötzlich auftaucht und sich auch mal zu einem riesigen roten Nebel aufblähen kann, erschließt sich mir nicht. Superman wirkt dadurch auch gadgetlastig wie Batman.

Dennoch schafft es Jason Aaron, seine Story durch viele Zeitsprünge Vergangenheit und Gegenwart abwechslungsreich und interessant zu gestalten. Tatsächlich wirken auch die Rückblenden nach Krypton frisch wie auch die bekannten Charaktere. Die vertraute Welt wirkt durchdacht und man bekommt Lust, sie neu zu entdecken.

Rafa Sandoval erweist sich hierfür als perfekter Zeichner, mit einer stilistischen Nähe zu Clay Mann und Jorge Jimenez: klar, dynamisch, ausdrucksstark, wenn auch konservativ und ohne Hang zu Experimenten. Seine Landschaften sind atemberaubend und detailreich. Leider ist nicht alles aus einem Guss, Ausgabe sechs stammt von Carmine Di Giandomenico (Batman: The Knight), der das Niveau nicht ganz halten kann.

Geschichte wiederholt sich

Wenn man Last Dust of Krypton auf eine Formel bringen müsste, wäre es eine im Superheldencomic etablierte wie fatalistische: Geschichte wiederholt sich. Kal-El gerät auf seiner Heldenreise vom Regen in die Traufe, von einem totalitären System ins nächste. Und natürlich entspricht diese Erfahrung auch der beim Lesen: Wir kennen die Geschichte bereits und sie wiederholt sich für uns als Variation.

Müsste man es auf einen Begriff bringen, wäre es: Freiheit. Damit verbunden ist die Hoffnung auf Veränderung der Verhältnisse. So ist Absolute Superman im Grunde der Superman, den wir heute brauchen. Er passt wohl besser es die Schöpfer geahnt haben genau in die Zeit und die Story liest sich wie ein kritischer Kommentar der USA unter Trump, aber auch anderer totalitärer Regime und unserer Abhängigkeit von globalen Konzernen.

Ein spannender Auftakt. Man darf sich darauf freuen, wenn dieser Superman mal auf den Absolute Batman trifft. Ich glaube, die beiden Underdogs könnten sich gut verstehen.

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