Manche Klischees sind so ausgelutscht, dass sich jeder Autor davor hüten sollte, auch nur in Erwägung zu ziehen, sie zu bedienen. Wie etwa die Urban Legend von den Krokodilen in der Kanalisation. Bei Killer Croc ist die Versuchung verlockend, denn wenn der Ami Krokodil hört, muss er wohl gleich an Kanalisation denken. Das ist natürlich auch ein Klischee, aber so oft, wie das bereits erfüllt wurde, kann man von einem wahren Kern ausgehen.
Zur Verteidigung muss man sagen: Bei Killer Croc liegen Kanäle nahe. Zum einen ist man da unten geschützt, zum anderen hat man es da feucht, was einem halben Krokodil zupass kommen dürfte. Doch wie sieht es eigentlich mit Nahrung aus? Ein Fernsehteam will es genau wissen und steigt in Gotham in den Untergrund, um mit einer Reptilienexpertin herauszufinden, was an dem Mythos dran ist („The Crocodile Hunter“, Batman 80-Page-Giant 2010, 2011). Das Klima da unten ist zwar nicht ideal für Kaltblüter, aber in Ordnung. Fragt sich nur, woher die Tiere ihre Nahrung hernehmen. Obdachlose vielleicht? Noch so ein Klischee …
Aber ein Grundgesetz von Superheldencomics besagt: An Gerüchten ist immer was dran. Und so erfüllt Killer Croc hier die Vermutung. Wie in Horrorstorys üblich lauert er dem Team auf, indem er sich zunächst nur andeutet, bevor er es auffrisst. Der Journalist ignoriert alle Warnzeichen und begibt sich wie ein Lamm zur Schlachtbank, indem er auch noch ins Wasser steigt. Das nennt man dann wohl den „Idiot Plot“, eine Geschichte, die darauf beruht, dass Menschen sich äußerst dumm anstellen. Killer Croc offenbart sich am Ende als Mensch mit Krokodilkopf, ganz in altägyptischer Tradition. Zu sagen hat er uns nichts, außer der stillen Moral: Tja, selber schuld …
In „Dungeons and Dragons“ (Legends of the Dark Knight #6, 2013) kämpft Batman gegen einen waschechten Drachen, nur um am Ende festzustellen, dass dieser von Killer Croc geschaffen wurde, weil er sich so sehr eine Gefährtin wünschte, die ihn versteht und seinen Zustand kennt. Frankensteins Monster lässt grüßen.
In „Monster“ (Gotham Nights #14, 2020) begeht unser Croc einen Bankraub und trifft dabei auf eine Jugendbekanntschaft: Julie, die er noch aus seiner Zeit als Sideshow-Attraktion kennt. Als er noch als „Gator Boy“ in einem Käfig zahlendem Publikum vorgeführt wurde, hat sie sich für ihn gegen Mobber eingesetzt. Nun, Jahre später, macht sie ihm Vorhaltungen: „You had a chance to treat the world better than it treated you. But instead you chose to do otherwise. Instead you became the monster they always said you were.“ Dem ist nicht mehr viel hinzuzufügen. Croc sagt nur, er wisse nun, wer er sei – und fügt sich in seine Rolle. Ziemlich schwach.
In „A Hard Rain’s A-Gonna Fall“ (Legends of the Dark Knight #12, 2021) darf er dann noch Batman gegen Gauner helfen, die die Stadt fluten, um die Börse zu plündern. (Batman verdächtigt zunächst Croc, ohne jegliches Motiv oder Beweise.) Doch ganz selbstlos ist Waylon dabei nicht, immerhin wurden auch seine geliebten Kanäle geflutet. Statt ihm hinterher zu danken, beschwert sich Batman über dessen Methoden. Dann verzieht sich Croc schmollend wieder ins Wasser. Das Verhältnis zu ihm bleibt schwierig.
Das gilt auch für uns Leser. Denn als Charakter bleibt Croc meist unterentwickelt. Entweder als ein gieriger und skrupelloser Gangster/Mörder oder als besinnungsloses Monster, das tötet und/oder Menschen frisst. Und wo Potenzial für mehr Anteilnahme wäre, wird man mit Kurzgeschichten abgespeist, die einen unbefriedigt zurücklassen.
Die angenehme Ausnahme bleiben die Batman Adventures und Batman: Earth One Vol. 2 (2015). Die große Killer-Croc-Story muss aber noch geschrieben werden. Batman: Reptilian (2021) war es leider nicht.

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