Neulich habe ich mal wieder ein Nicht-Batman-Comic gelesen, das sehr gelungene Freaks von Frank Schmolke (basierend auf dem Drehbuch von Marc O. Seng zum Netflix-Film). Doch auch da wurde ich mit Batman konfrontiert. Ein kleiner Junge trägt sein Kostüm. Und dann sagt eine andere Figur zu ihm: „Batman? Das ist aber kein Superheld, sondern nur ein reicher Schnösel. Superkräfte hat der keine.“
Das Argument habe ich schon oft gehört und gelesen: Batman ist eigentlich kein (echter) Superheld, da er keine Superkräfte hat. – Aber stimmt das?
Sowohl die deutsche als auch die englische Wikipedia-Ausgabe scheinen den Zweiflern Recht zu geben, denn dort heißt es, Superhelden definieren sich über Superkräfte. Dennoch spricht die Intuition dagegen, Batman den Status vorzuenthalten, denn er wird für gewöhnlich im Superheldengenre verortet und er ist in seinem DC-Universum ein Held neben anderen. Das liegt auch an der Tradition: Batman wurde 1939 als Gegenstück zu Superman konzipiert, trägt also auch typische Merkmale des prototypischen Superhelden: ein Kostüm mit einem Cape und einem Symbol auf der Brust, außerdem eine Geheimidentität (die sogar – anders als bei Superman – von einer Maske verdeckt wird). Aber er ist eben anders als Superman kein Alien, nicht von Geburt an mit Superkräften gesegnet, sondern „nur“ ein Mensch.
Geistige und körperliche Superkräfte
Wobei das „nur“ sehr fragwürdig erscheint angesichts von Batmans Leistung. Bereits auf dem ersten Bild, das Batman zeigt, auf dem Cover von Detective Comics #27 (1939), schwingt er sich mit einem Arm an einem Seil durch die Stadt und hält dabei mit dem anderen einen Mann im Schwitzkasten. Während der Gauner das Gesicht verzieht und seinen Hut verliert, wirkt Batman gelassen, obwohl er eigentlich eine unglaubliche Tat vollbringt. Schon sich einarmig an einem Seil festzuhalten, ist schwierig, geschweige denn, damit von Haus zu Haus zu schwingen, und dabei auch noch einen anderen festzuhalten, ist nahezu unmöglich, vor allem wenn man bedenkt, dass man das Ganze auch noch so koordinieren muss, sicher am Ziel anzukommen. Wollte man das nachmachen, müsste man den Stunt sehr gut planen und es wäre höchstgefährlich. Hier aber wirkt es spontan und fast selbstverständlich für den Helden. (Wo das Seil eigentlich befestigt ist und wie die Szene endet, bleibt allerdings offen.)
Auch im weiteren Verlauf der Geschichte und danach erweist sich Batman als besonders stark und athletisch. Nicht so stark wie Superman, aber deutlich stärker als ein Durchschnittsmensch. Außerdem ist er hochgebildet. In seinem ersten Origin (Detective Comics #33) heißt es, er mache sich zu einem „master scientist“ und trainiere seinen Körper zur „physical perfection“, bis er fähig sei zu „amazing athletic feats“. Später gilt er als bester Detektiv der Welt und beherrscht so gut wie alle Kampfsportarten. Er ist klüger, stärker und geschickter als andere. Kurz gesagt: Batman kann alles. Was also ist an ihm noch „nur ein Mensch“?
Geld als Superkraft
Und dann ist da noch der „reiche Schnösel“. Durch das viele Geld, das Bruce Wayne geerbt hat, ist er zunächst finanziell unabhängig und kann ungehindert der Verbrechensbekämpfung nachgehen, ohne sich um sein Einkommen kümmern zu müssen, er kann damit aber auch Ausrüstung kaufen, mit der er seine menschlichen Grenzen weiter dehnen kann. Ein Auto lässt ihn schneller sein als andere, ein Flugzeug lässt ihn fliegen wie Superman, Batarangs und andere Hilfsmittel dienen als Waffen und retten ihn aus brenzligen Situationen.
Daher bringt es Zack Snyders Bruce Wayne auf den Punkt, wenn er in Justice League auf die Frage nach seinen Superkräften antwortet: „I’m rich.“ Geld ist ohne Frage das Mittel schlechthin, das einem Kräfte verleihen kann. Je mehr man hat, desto mächtiger ist man. Milliardäre machen es uns täglich vor. Sie fliegen ins All, entziehen sich der Justiz und den Steuern, vielleicht auch bald dem Tod.
Auch der moderne Batman ist so reich, dass ihm (technisch) keine Grenzen mehr gesetzt sind. Sein Anzug kann mittlerweile alles. Zuweilen gleicht er sogar einer Rüstung, die ihm tatsächlich Superkräfte verleiht. Und was der Anzug nicht kann, machen sein Computer, seine Satelliten, Roboter, Raketen und so weiter. Batmans Fähigkeiten sind nahezu grenzenlos – wie die seines Gegenstücks Superman.
Menschlichkeit als Schwäche
Hier kann man einwenden: Ja, aber Batman bleibt als Bruce Wayne ein Mensch. Das stimmt, allerdings gilt das auch für Green Lantern, der ohne seinen Ring machtlos ist, oder Green Arrow, der auf Pfeil und Bogen angewiesen ist (dafür aber ein „Super“-Schütze ist). Superhelden wie Iron Man und Ant-Man brauchen jeweils Rüstungen bzw. Anzüge. Superkräfte haben verschiedene Ursprünge: außerirdische, magische, natürliche (z. B. durch Mutationen), chemische oder auch technische. Batman gehört zur letzteren Kategorie. Aber auch ohne das ist er ein Mensch, der in fast jeder Hinsicht super ist.
Seine Menschlichkeit ist kein Argument gegen seine Superkräfte, sondern übernimmt die Rolle seiner Achillesferse, wie für Superman das Kryptonit. Der moderne Batman ist oft der einsame Einzelgänger, dem es an Sozialkompetenz fehlt und der sich abschottet. Dadurch irrt er, macht Fehler und bringt sich in Gefahr. All seine anderen Fähigkeiten machen ihn nicht unverwundbar oder resistent gegen das Scheitern.
Ich denke, das ist es, was Batman so interessant macht. Er suggeriert: Fast jeder könnte theoretisch Batman sein, wenn er sich zu einem machen wollte. Jeder kann zumindest ein Selfmade-Superheld sein. Denn Superkräfte sind eigentlich nur eine Frage von Entschlossenheit und Ausdauer. Man braucht also nur eine Superkraft: einen eisernen Willen.
(Auch wenn das natürlich nur eine fantastische Utopie ist, aber eine reizvolle.)
Interessanter Artikel, danke Lukas!
Ja, was macht einen Superhelden aus? Das, was bei Batman für mich schon immer den größten Unterschied gemacht hat im Vergleich zu Superman und Wonder Woman beispielsweise ist schlicht und einfach das altern. Bruce, ja Batman wird alt. Im Vergleich dazu altern seine außerirdischen und göttlichen JLA Teammitglieder eher langsam bis gar nicht. Und er verschleißt doof gesagt eher als andere mit übernatürlichen Fähigkeiten. Seine Knie, Gelenke, seine Muskeln und Sehnen, all das ist menschlich und nicht unendlich lange auf einem extrem hohen Niveau belastbar. Und wenn Batman noch so viele Kampfsportarten perfekt beherrscht, so wird ihm langsam aber sicher, nach und nach sein Körper unweigerlich den Dienst verweigern. Dies wurde übrigens auch sehr schön bei der letzten Episode von „Justice League Unlimited“ thematisiert, ich meine die Folge heißt „Epilogue“.
Dass er all das in Kauf nimmt und trotzdem in der JLA oftmals den Ton angibt und Götter befehligt, macht Batman für mich nicht zum Superhelden, denn dafür fehlen ihm per Definition die Superkräfte. Für mich macht ihn das, zusammen mit seinen Motiven und detektivischen Fähigkeiten, zum größten aller Helden. „Super“ hin, oder her. Und ja, das viele Geld schadet sicherlich auch nicht 😉
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